Wahrung der Geheimsphäre, Recht auf eigenes Bild. | Eigenmächtige Verhinderung von Aufnahmen ist nicht grundsätzlich verboten. | Wien. Auch in Österreich wollte Google Straßenzüge für seinen Dienst "Google Street View" ablichten. Das löste nicht nur rechtliche Bedenken, sondern auch Proteste in der Bevölkerung aus. Dennoch wurde die Datenanwendung "Google Street View" im Jänner 2010 von der Datenschutzkommission, wenn auch unter Auflagen, als zulässig registriert. Zugespitzt hat sich die Situation dann, als ein Mann mit einer Spitzhacke versuchte, die Aufnahme seines Hauses durch ein Google-Auto zu verhindern.
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So unrechtmäßig das Vorgehen des Mannes auf den ersten Blick auch erscheint, ist aus rechtlicher Sicht eine eigenmächtige Abwehr nicht gänzlich verboten. Die "Selbsthilfe" ist aber nur dann zulässig, wenn es der Durchsetzung eines Rechts dient und staatliche Hilfe zu spät käme. Da Google den Ort seiner Fahrten aber online ankündigte, bliebe in der Regel genügend Zeit, um sich an staatliche Stellen zu wenden. Das Selbsthilferecht wird also bereits an dieser Voraussetzung scheitern.
Dennoch ist man einem Vorgehen wie dem von Google nicht schutzlos ausgeliefert. Vor allem Persönlichkeitsrechte bieten entsprechende Abwehransprüche. In Frage kommen das Recht auf Wahrung der Geheimsphäre (§ 16 ABGB), das Recht am eigenen Bild (§ 78 UrhG) sowie das Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG).
Bis auf den Bildnisschutz kann man dadurch nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Bildaufnahme verhindern.
Verwischte Gesichter
Damit aber überhaupt ein Schutz gegeben ist, muss der Abgebildete identifizierbar sein. Zwar werden die Gesichter vor dem Online-Stellen verwischt. Dennoch bleibt man aufgrund nicht erfolgter beziehungsweise fehlerhafter Verwischung anhand der Körperhaltung, Kleidung oder sonstiger Merkmale erkennbar.
Die Aufnahme allein verletzt freilich noch nicht die Privatsphäre. Vielmehr muss ein Eingriff vorliegen und eine Interessensabwägung stattfinden. Umgekehrt endet die Privatsphäre nicht schon dann, wenn man seine eigenen vier Wände verlässt. Auch ein Verhalten auf der Straße ist geschützt, soweit es, wie etwa bei Straßenkunst, nicht "inszeniert" ist.
Google kündigte nur den Ort, nicht aber den genauen Zeitpunkt seiner Fahrten an. Wann eine Aufnahme stattfinden sollte, ist also im Vorhinein nicht klar gewesen, womit ein gewisser Überwachungsdruck erzeugt wird. Außerdem nimmt Google grundsätzlich Fotos spontan auf, sodass die Gefahr von missverständlichen Abbildungen entsteht.
Die schutzwürdigen Interessen sind gegen das kommerzielle Interesse von Google und das Informationsinteresse der Allgemeinheit abzuwägen. Hier spielt vor allem die mögliche Missbrauchsgefahr eine wesentliche Rolle. Die Bilddaten werden der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch das Datenschutzgesetz sieht keine entsprechenden Rechtfertigungsgründe vor (§ 9 DSG), sodass Google durch seinen Dienst Persönlichkeitsrechte verletzt. Trotzdem hatte die Datenschutzkommission im Registrierungsverfahren den Google-Dienst, wenn auch unter Auflagen, für zulässig erklärt.
Die Bildaufnahme durch Google ist darüber hinaus als Besitzstörung beziehungsweise Eingriff in Eigentumsrechte zu werten. Es findet zwar kein physischer Übergriff statt - das Fotografieren und der damit erzeugte Überwachungsdruck beeinträchtigt aber die Nutzungsmöglichkeit des Grundstückseigentümers bzw. des Mieters. Aus den oben genannten Gründen fällt auch hier die Interessensabwägung zu Ungunsten von Google aus.
Aufnahmen untersagt
Gestützt auf diese Persönlichkeitsrechte kann man vor Gericht verlangen, dass Google bereits die Bildaufnahme unterlässt (Unterlassungsanspruch). Das kann auch in einem Eilverfahren erfolgen. Wurden die Bilder bereits online gestellt, so kann man eine Löschung begehren (Beseitigungsanspruch). Google bietet allerdings selbst eine entsprechende Widerspruchsmöglichkeit an.
Google gab zuletzt zu, neben der Bildaufnahme auch WLAN-Standorte und -Inhaltsdaten abgefangen zu haben. Daraufhin hat die Datenschutzkommission Ende Mai ein amtliches Prüfverfahren eingeleitet und die gesamte Datenanwendung, somit auch die ursprünglich zulässigen Bildaufnahmen, untersagt. Die weiteren Konsequenzen des Verfahrens sind noch offen. Aufgrund einer Anzeige der Arge-Daten droht Google bereits eine Verwaltungsstrafe bis zu 10.000 Euro. Derzeit heißt es also wohl eher "Alle gegen Google".
Arzu Sedef ist Mitarbeiterin der Abteilung für Immaterialgüter- und Informationsrecht der WU Wien. Einen ausführlichen Beitrag der Autorin zu diesem Thema
lesen Sie in der Zeitschrift "ZaK" von Lexis Nexis.