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Michelangelos David kennt das schon. Immerhin wurde der möglicherweise berühmteste nackte Mann der Kunstgeschichte schon einmal seiner Nacktheit beraubt. Es wurde ihm zwar nur ein Feigenblatt angezogen, und das auch nur für die prüde Königin Victoria. Aber schon Leonardo da Vinci fand, das Gemächt könnte einen Lendenschurz vertragen. Gut, der war auch Michelangelos Rivale, dem wäre eine Verschandelung der Skulptur zupass gekommen.
Das ist alles lange her. Im Jahr 2023 kann so ein marmorner Penis niemanden mehr erschüttern. Oder? Ja, da hat man die Rechnung ohne die bücherverbietenden Eltern von Schülern in den USA gemacht. In Florida - das ist der Bundesstaat, in dem Gouverneur Ron de Santis den Unterhaltungskonzern Disney für zu liberal hält und kürzlich das Waffengesetz gelockert wurde - musste eine Schuldirektorin gehen, weil sie Zwölfjährigen im Kunstunterricht die berühmteste Skulptur der Welt, also David, gezeigt hatte. Oder wie es die Eltern der Schüler nennen: Pornografie.
Es ist fast goldig, mit welcher ehrlichen Fassungslosigkeit in Italien darauf reagiert wurde: "Zu denken, dass David pornografisch ist, bedeutet, den Inhalt der Bibel nicht zu verstehen, die westliche Kultur nicht zu verstehen und die Kunst der Renaissance nicht zu verstehen", so Cecilie Hollberg, Direktorin der Galleria dell’ Accademia. Sowohl sie als auch der Florentiner Bürgermeister luden Schüler und Eltern ein. Ob eine Reise nach Italien etwas ausrichten kann gegen die sich ausbreitende Kulturlosigkeit in den USA? Zu hoffen wäre es.