Fonds setzen Manager unter Druck. | Öffentliche Kritik wegen Gehälter und Stellenabbau. | München/Düsseldorf . (dpa) Die Chefsessel bei den Dax-Konzernen werden immer mehr zu Schleudersitzen. Kai-Uwe Ricke und Bernd Pischetsrieder hielten sich nicht einmal fünf Jahre an der Spitze der Deutschen Telekom und von Volkswagen und sind damit längst keine Einzelfälle. Vor allem seit internationale Beteiligungsgesellschaften und Hedge Fonds verstärkt in Deutschland investieren, ist die Verweildauer der Spitzenmanager im Amt gesunken.
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So kann heute ein 43-Jähriger, der wie der neue Telekom-Chef René Obermann einen Vorstandsvorsitz übernimmt, nicht mehr damit rechnen, bis zur Pensionierung im Amt zu bleiben. "Diese Zeiten sind endgültig vorbei", sagte Claus Goworr von der Unternehmens- und Personalberatung CGC. Mit weiteren überraschenden Wechseln sei zu rechnen. "Das Karussell dreht sich weiter."
Seit sich das Netzwerk der Deutschland AG aufgelöst hat, weht ein rauer Wind durch die Chefetagen. So steht bei Siemens der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld stark in der Kritik, obwohl sein radikaler Konzernumbau langsam Wirkung zeigt. Auch über TUI-Chef Michael Frenzel gibt es immer wieder einmal Spekulationen. Wegen hoher Gehälter, des oft massiven Stellenabbaus und einzelner Affären geraten Manager zudem auch öffentlich heute schneller ins Kreuzfeuer der Kritik.
Amtszeit unter 8 Jahre
Die durchschnittliche Amtszeit von Vorstandsvorsitzenden bei den großen Konzernen in Deutschland ist in den vergangenen Jahren nach Angaben der Personal-Beratungsfirma Kienbaum Management Consultants deutlich auf weniger als acht Jahre gesunken. Damit liegen die deutschen Firmen, einst ein Hort der Beständigkeit, sogar unter dem internationalen Schnitt. Es sei aber nichts schlechtes, dass den Chefs genauer auf die Finger geschaut werde, sagte Walter Jochmann, Geschäftsführungs-Vorsitzender bei der Beratungsfirma.
Das Geld fließe international, daher würden bei den Unternehmen auch national Renditen erwartet, die auf dem Niveau ausländischer Konkurrenten liegen. Für den Bruch sind natürlich immer auch unternehmensspezifische Gründe verantwortlich. "Ricke war mit der Aufgabe einfach überfordert", meint ein Branchenexperte. Bei Pischetsrieder hat die Chemie mit dem starken Mann bei VW, Aufsichtsrats-Chef Ferdinand Piech, nicht gestimmt.
Dennoch sehen es inzwischen einige auch kritisch, wie schnell Manager zur Disposition gestellt werden und welch schlechtes Image sie in der Öffentlichkeit haben. "Die pauschale Kritik wird der Mehrheit der Spitzenmanager nicht gerecht", sagte neulich Infineon-Chef Wolfgang Ziebart. "Die meisten kennen ihre Verantwortung: Zuerst für die Kunden, dann für Mitarbeiter und Aktionäre."
Schnelle Erfolge
Dieser Verantwortung gerecht zu werden, wird aber immer schwieriger. Auf der Anteilseignerseite wollen vor allem die Beteiligungsgesellschaften schnell Erfolge sehen. Deutsche-Börse-Chef Werner Seiffert musste auf Druck von Hedge Fonds die geplante Übernahme der London Stock Exchange absagen und schließlich seinen Hut nehmen. Auch Ricke musste wohl auch gehen, weil Blackstone Druck machte. Die Beteiligungsgesellschaft hatte sich mit 4,5 Prozent bei der Deutschen Telekom eingekauft und fürchtete um ihr Investment.
"Es ist heutzutage für einen Vorstandschef fast unmöglich, langfristige Strategien zu verfolgen", sagt Personalberater Goworr. Viele Investoren seien nur auf kurzfristige Rendite aus. Wollen die Manager dann die Profitabilität steigern, stehen sie wegen möglichen Stellenabbaus in der Kritik.
So werfen manche Investoren Siemens-Chef Kleinfeld vor, den Konzern nicht schnell genug umzubauen, während die IG Metall ihn als neoliberalen Arbeitsplatzzerstörer kritisiert.
Bei Unternehmen wie VW und der Deutschen Telekom, wo das Land Niedersachsen und der Bund zu den Großaktionären gehören, ist der Spagat besonders schwierig.