Der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, rechnet wegen der Finanzkrise nicht mit einem raschen Börsengang des Unternehmens. "Vor 2013 oder 2014 wird es wohl keinen Börsengang geben, das gibt der Kapitalmarkt nicht her", sagte Grube dem Spiegel vom Sonntag.
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Der Umsatz im Transport- und Logistikgeschäft des Unternehmens sei wegen der schlechten Konjunkturlage um rund 25 Prozent eingebrochen. Dennoch habe der Konzern insgesamt im ersten Halbjahr schwarze Zahlen geschrieben und werde dies auch im gesamten Geschäftsjahr schaffen. Wegen der Materialprobleme mit Rädern bei ICE-Zügen schloss Grube eine Klage gegen Zulieferer nicht aus.
Sein Abrücken von einem schnelleren Börsengang begründete er damit, dass die Deutsche Bahn oder Teile des Konzerns nicht unter Wert verkauft werden dürften. "Der Börsengang ist ja kein Selbstzweck, er soll Geld einspielen, um es dann für nachhaltiges und profitables Wachstum zu investieren." Auch ein Verkauf von derzeit unprofitablen Unternehmen, die unter seinem Vorgänger Hartmut Mehdorn zugekauft wurden, stehe nicht zur Debatte.
Nach früheren Reuters-Informationen aus dem Unternehmen hatte der neue Konzernchef die Deutsche Bahn zunächst schon 2011 wieder börsenreif machen wollen. Dies bedeutete eine Verschärfung erst im Frühjahr beschlossener Planungen. Im Streit um die Vorgaben hatte der Chef der von der Krise besonders getroffenen Güterbahn, Klaus Kremper, seinen Posten aufgegeben.
Wegen der Wirtschaftskrise macht sich der Konzern nach den Worten Grubes auch auf Rückgänge im bislang noch relativ stabilen Personenverkehr gefasst. Damit sei zu rechnen, wenn die Arbeitslosigkeit weiter steige, sagte er dem "Spiegel".
Reuters hatte vor einigen Tagen aus Unternehmenskreisen erfahren, dass der Bahn-Umsatz insgesamt im ersten Halbjahr um fast 14 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro einbrach und sich der Rückgang damit im Vergleich zu den ersten Monaten des Jahres noch beschleunigte. Bis Mai sei der Gewinn vor Zinsen und Steuern bereits um über die Hälfte auf weniger als 500 Millionen Euro zusammengeschmolzen, sagten mit den Zahlen Vertraute. Das Unternehmen legt am 20. August seinen Halbjahresbericht vor.
Grube bestätigte, dass seit Jahresbeginn im Konzern rund 10.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit waren, vor allem im Schienengüterverkehr. Nach einem ferienbedingten Rückgang werde die Zahl der Kurzarbeiter in den kommenden Monaten wieder zunehmen.
Nicht benötigte Bahn-Mitarbeiter sollten innerhalb des Unternehmens in anderen Bereichen eingesetzt werden. So würden bis 2011 zusätzliche Mitarbeiter für die Erneuerung von Bahnhöfen mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm benötigt. Danach würden überschüssige Bahn-Beschäftigte intern oder extern vermittelt. "Das wird mit Sicherheit bei einer größeren Zahl von Mitarbeitern passieren", sagte Grube. Auf die Frage nach betriebsbedingten Kündigungen nach Auslaufen des Beschäftigungssicherungspakts im kommenden Jahr sagte er: "Ich kann zwar nicht in die Zukunft blicken, aber wir werden um jeden Job kämpfen."
Nicht ausschließen wollte Grube einen Rückzug vom Bau des Bahnhofs-Großprojekts Stuttgart 21. Die Verträge könnten bis Ende des Jahres gekündigt werden und würden deshalb bis November noch einmal sehr genau geprüft: "Das Projekt ist nicht darstellbar, wenn beispielsweise für den Bahnhof plus die Risikokosten mehr als 4,5 Milliarden Euro anfallen würden."
Die Probleme mit ICE-Rädern, die derzeit weit öftere Wartungen der Züge nötig machen als vorgesehen, bezeichnete Grube als "ganz klare Material- und Konstruktionsfehler". Mit den dafür verantwortlichen Zulieferern stehe er in intensivem Austausch. "Wenn wir nicht zu einem Ergebnis kommen, werden wir eine Klage einreichen. Dazu bin ich übrigens auch verpflichtet."
Mit Blick auf ähnliche Materialprobleme bei der DB-Tochter Berliner S-Bahn lässt die Bahn Grube zufolge überprüfen, warum 2003 bei den ersten Hinweisen nicht gleich Gewährleistungsansprüche bei den Herstellen angemeldet worden seien. Es werde geprüft, ob Bahn-Manager wegen dieses Versäumnisses haftbar gemacht werden könnten. Mit ersten Ergebnissen rechne er in einigen Tagen. (APA)