Opfer verlangen Aufklärung über Verbrechen des indonesischen Ex-Diktators. | Jakarta. (dpa) Das lange und öffentliche Sterben des 86-jährigen Suharto, der Indonesien 32 Jahre mit eiserner Hand dirigierte, hat eine Debatte über das Vermächtnis des einstigen Landesvaters ausgelöst. Es fängt bei der Beerdigung an: Wie wird ein Mann zu Grabe getragen, dessen rücksichtslose Schergen hunderttausende Menschen auf dem Gewissen haben, der seinem Volk Milliarden stahl, der anderen aber als erfolgreicher Visionär für eine bessere Zukunft galt? Suhartos Todeskampf findet in aller Öffentlichkeit statt. Während der Greis künstlich beatmet wird, geht sein Ärzteteam täglich vor die Presse, um seinen Zustand zu erläutern. Das Urteil über seinen Platz in der Geschichte ist schwieriger.
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Sympathisanten fordern, die massiven Vorwürfe wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen nun aufzugeben. Suharto habe die Nation geeint, die Infrastruktur entwickelt, Auslandsinvestitionen angekurbelt, das Land vorangebracht. Opfer und Angehörige verlangen dagegen Aufklärung und Rechenschaft.
"Es darf kein Pardon geben", sagte Winarso, Organisator eines kleinen Studentenprotests in Solo in Zentral-Java, der Heimat Suhartos. "Er hat in seiner Amtszeit humanitäre und andere Verbrechen begangen." "Es ist nicht verwerflich, einem früheren Staatsführer, der einen großen Beitrag zum Aufbau der Nation geleistet hat, die Fehler zu vergeben", meinte hingegen Mittelstandsminister Suryadharma Ali. Amien Rais, der 1998 die Studentenproteste mit "Hängt Suharto!"-Schlachtrufen anführte, plädiert auch für Vergebung, ebenso Guruh Sukarnoputra, der Sohn von Staatsgründer Sukarno, den Suharto Mitte der 1960er Jahre unzeremoniell aus dem Amt gejagt hatte. Präsident Susilo Bambang Yudhoyono betete auch schon an Suhartos Bett. Wie andere habe Suharto Fehler gehabt, meinte er. "Das wird uns nicht abhalten, ihm für seinen Dienst an der Nation zu danken."
Auch alte Weggefährten aus Südostasien standen am Bett des prominenten Patienten Schlange wie der Ex-Premier von Singapur, Lee Kuan Yew. "Ja, es gab Korruption, ja, er hat seiner Familie und Freunden Gefallen getan", sagte Lee anschließend. "Aber was sind schon ein paar Milliarden Dollar, die durch Ausschweifungen verloren gingen? Er hat Wohlstand im Umfang von Hunderten Milliarden Dollar aufgebaut."
35 Milliarden Dollar beiseite geschafft
Bei den "paar Milliarden" handelt es sich laut der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International um bis zu 35 Milliarden Dollar. Suharto und sein Familienclan sollen das Geld auf die Seite geschafft haben. Die Organisation zählt ihn damit zu den korruptesten Diktatoren aller Zeiten. Suharto hat das immer bestritten. Zur Rechenschaft gezogen wurde er nie. "Zu krank", argumentierten seine Anwälte, und die Richter folgten ihnen.
Auch die Säuberungen auf Suhartos Geheiß, denen 1965 hunderttausende "Kommunisten" und chinesischstämmige Indonesier zum Opfer fielen, hat kein Menschenrechtstribunal je untersucht. Die Grausamkeiten in der Unruheprovinz Aceh und im besetzten Osttimor unter Suharto blieben ebenfalls ungesühnt.
In der Nähe von Solo laufen indes die Vorbereitungen für die Beisetzung im Familienmausoleum. Die Familie habe sich gegen ein Staatsbegräbnis ausgesprochen, heißt es. Damit hat sie der Regierung eine delikate Entscheidung erspart. Doch zur Trauerfeier werden auch die Kabinettsmitglieder eingeladen sein.