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Debatte um Aus für das Wahlmännerkollegium

Von Rainer Maierhofer

Politik

Washington - Die Tatsache, dass mit George W. Bush erstmals seit 1889 wieder ein Kandidat zum Präsidenten der Vereinigten Staaten werden könnte, der bei der direkten Wahl weniger Stimmen bekommen hat als sein Gegenkandidat, belebt die Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Wahlmännerkollegiums. In der Vergangenheit wurde schon rund 700-mal versucht, das aus dem 18. Jahrhundert stammende Wahlverfahren zu reformieren, bisher ohne Erfolg.


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"Das Volk soll entscheiden, eine Mehrheit regieren", meint etwa der demokratische Senator aus Illinois Dick Durbin. Der aus Iowa stammende republikanische Kongressabgeordnete Jim Leach sieht im derzeitig gültigen Präsidentenwahlverfahren mit einem Wahlmännerkollegium den Grundsatz "Ein Wähler, eine Stimme" nicht voll gewährleistet.

Gegen ein Abgehen vom Wahlmännerverfahren kommen Stimmen aber vor allem aus kleineren Bundesstaaten, die befürchten, dass sie bei künftigen Präsidentschaftswahlkämpfen links liegen bleiben und die Kandidaten sich nur um die bevölkerungsreichen Regionen kümmern. Dazu meint etwa der republikanische Senator von Kentucky, Mitch McConnell: "Wenn wir das Wahlmännerkollegium aufgeben, werden eine ganze Reihe von Staaten nie mehr von einem Präsidentschaftskandidaten besucht werden."

Dem halten andere Stimmen entgegen, dass schon die derzeitige Praxis der Präsidentschaftswahlkämpfe zeige, dass die Bewerber ihre Wahlkämpfe hauptsächlich in den bevölkerungsreichen Staaten führen, wo es eine hohe Anzahl von Wahlmännern zu gewinnen gibt. Heuer etwa waren die Bundesstaaten Florida, Michigan, Illinois, Ohio und Missouri, wo es 25, 18, 22, 21 beziehungsweise 11 Wahlmänner zu erobern galt, bei den Wahlkampfauftritten Spitzenreiter. Dazu kamen noch einige kleinere Bundesstaaten, die an der Kippe standen, wie New Hampshire, West Virginia und New Mexiko. New Hampshire mit vier und West Virginia mit fünf Wahlmännern, die bisher stets als demokratische Kernländer galten, fielen knapp an Bush, New Mexiko mit ebenfalls fünf Elektoren noch knapper an Gore.

Eine Verfassungsänderung müsste eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Parlaments bekommen und außerdem von 38 der 50 Bundesstaaten gebilligt werden. Und das scheint derzeit eher unrealistisch.