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Auf das "Golf-Syndrom" folgt das "Balkan-Syndrom". In Europa herrscht große Unsicherheit, nachdem Leukämie-Fälle bei im Balkan-Krieg eingesetzten Soldaten bekannt wurden. Österreicher sind davon nicht betroffen. Die Europäische Kommission sowie die amtierende EU-Ratspräsidentschaft Schweden urgieren nun Aufklärung durch die NATO.
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Die EU-Kommission müsse die Wahrheit über die gesundheitlichen Auswirkungen der radioaktiven Uran-Munition ans Licht bringen und diese Waffen verbieten, forderte Kommissionspräsident Romano Prodi. Er will mit den Regierungen in Bosnien und Serbien das Problem erörtern. Die EU, nicht die USA, trage die Verantwortung für die Balkan-Politik, so Prodi. "Wenn wir eine Zukunft des Friedens aufbauen wollen, müssen wir Verantwortung übernehmen."
EU soll Verantwortung übernehmen
Die EU müsse handeln, meinte auch der schwedische Verteidigungsminister Björn von Sydow. Das EU-Vorsitzland unterstützt den belgischen Vorschlag zur Einrichtung einer medizinischen Arbeitsgruppe zur Untersuchung des "Balkan-Syndroms" - ein Sammelbegriff für Erkrankungen, ausgelöst durch mit Uran angereicherte Waffen. Die EU-Verteidigungsminister sollten das Problem auf einer Sondersitzung analysieren, forderte Belgien weiters.
Die Verwendung uranhaltiger Munition während der NATO-Einsätze am Balkan soll jedenfalls morgen, Dienstag, beim Treffen des Militärbündnisses in Brüssel thematisiert werden. Es sei aber nur "einer von mehreren Tagesordnungspunkten", meinte eine NATO-Sprecherin lapidar.
Die EU-Kommission will vorerst informell ermitteln. Für formelle Ermittlungen sei es noch zu früh, meinte Kommissionssprecher Jonathan Faull. Beim traditionellen Antrittsbesuch der EU-Kommission in Schweden, der ebenfalls morgen stattfindet und an sich formalen Charakter hat, dürfte das Balkan-Syndrom sehr wohl zur Sprache kommen. Die EU- Kommission teile die Sorge der betreffenden Regierungen, so Kommissionssprecher Faull.
Bereits im Dezember hatte Italien so wie andere EU- bzw. NATO-Staaten von den Brüsseler NATO-Behörden Aufklärung gefordert. Reihenuntersuchungen an ihren Soldaten haben neben Italien auch schon Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Finnland und die Türkei begonnen. Die deutsche Bundeswehr habe bislang keine Hinweise auf das "Balkan-Syndrom" gefunden. Der medizinische Abschlussbericht liegt aber erst im Frühjahr vor. Und die - die NATO dominierenden - USA erklärten indes, laut ihren Studien gebe es keine Beweise für Krankheiten durch Uran-Geschosse. Es bestehe daher kein Grund, die Verwendung von Uran-Munition einzustellen, so der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Ken Bacon.
"Die Zeit ist reif, dass die EU eine militärische Kraft aufbaut, die von den USA unabhängig ist", hieß es sogleich aus dem NATO-Land und EU-Gründungsstaat Italien. Armando Cossutta, Chef der Kommunistischen Partei (PDCI), die auch in der Regierung vertreten ist, forderte den Austritt Italiens aus der NATO. Dass sich die NATO-Truppen aus dem Balkan zurückziehen sollten, hatte der designierte US-Präsident George W. Bush bereits im Wahlkampf gefordert.