Die geplante Reform der Strafprozessordnung (StPO) soll dem Staatsanwalt die Leitungsbefugnis im Vorverfahren einräumen, der Untersuchungsrichter über die Wahrung der Grundrechte wachen. Die Rolle des Opfers soll ebenso ausgebaut, wie die Rechte des Beschuldigten gestärkt werden.
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Während ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter den Reformentwurf "einen der größten Reformschritte der Gesetzgebung im Bereich der Justiz" würdigte, übten Richterschaft und Opposition teils heftige Kritik.
Stein des Anstoßes: Nach der geplanten Neuordnung soll nicht mehr wie bisher ein weisungsfreier Untersuchungsrichter das Vorverfahren leiten, sondern der weisungsgebundene Staatsanwalt. Dadurch - so befürchten Kritiker - würde sich aber der Einfluss des Innenministeriums auf laufende Verfahren beträchtlich erhöhen, weil die Staatsanwaltschaft als Verwaltungsbehörde dem Innenministerium unterstellt ist. So sprach die Richtervereinigung von einer "dramatische Verschlechterung in der rechtsstaatlichen Ausrichtung des Vorverfahrens" und SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim meinte, er sei zwar für eine Stärkung der Staatsanwälte im Vorverfahren, doch müsse diese mit der Einführung eines Bundesstaatsanwaltes verbunden sein.
Der Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Peter Knirsch, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Wenn ich daran denke, dass künftig ein weisungsgebundener Beamter über die U-Haft einer Person entscheiden soll, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken." Allerdings - gab Knirsch zu bedenken - werde man den 450 Seiten starken Entwurf in den nächsten drei Wochen noch eingehend prüfen und dann eine klare Stellungnahme abgeben.
Verfassungsrechtler Heinz Mayer bezeichnete den Reformvorschlag als "Griff nach mehr Macht". Die geplante Kompetenzeverschiebung von den U-Richtern zu den Staatsanwälten bedeute eine Stärkung des Justizministers. In manchen Fällen könnte es zu unfairen Verfahren kommen. Mayer ortet einen Verstoß gegen Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention [Recht auf ein faires Verfahren. Anm.]