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Debatte um Parlamentssitz Straßburg flammt wieder auf

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Zwei Sitzungen werden zusammengelegt. | Paris wehrt sich gegen Abzug aus Frankreich. | Brüssel/Straßburg. Fast jeden Monat geht es so, und das seit vielen Jahren. Hunderte Abgeordnete mit ihren Assistenten, tausende Beamte also, und mehrere Lkws voller Akten fahren zwölf Mal im Jahr knapp 500 Kilometer weit, um in Straßburg eine Plenarsitzung zu haben, die auch in Brüssel möglich wäre. Denn das EU-Parlament hat mehrere Sitze - und es ist verpflichtet, nicht nur in Belgien, sondern auch in Frankreich regelmäßig zusammenzukommen.


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Doch zumindest in den kommenden zwei Jahren sollen die EU-Mandatare jeweils einmal weniger nach Straßburg reisen müssen. Zwei Sitzungen in den Oktobermonaten 2012 und 2013 wurden mit anderen Tagungen zusammengelegt. Dafür hat die Mehrheit der Abgeordneten bei ihrer derzeit laufenden Plenarsitzung - in Straßburg - gestimmt.

Über ein "Zeichen des Aufbegehrens" freute sich prompt der SPÖ-EU-Delegationsleiter Jörg Leichtfried. Und der Liberale Europaabgeordnete Alexander Alvaro ortete gar den "Anfang vom Ende des Straßburg-Wanderzirkus".

Zusatz-Einnahmenfür Frankreich

Doch auch wenn sich nur wenige Befürworter der Dienstreisen nach Frankreich finden lassen - die Freude über eine baldige Abschaffung des zweiten Parlamentssitzes dürfte verfrüht sein. Denn Paris wehrt sich vehement gegen Änderungen. Immerhin bescheren die Parlamentswochen vor allem Straßburg zusätzliche Einkünfte. Die Preise für Hotelzimmer - sollten die überhaupt noch verfügbar sein - schnellen in die Höhe; die Restaurants sind gut besucht, und sogar so mancher Babysitter frohlockt über eine bessere Auftragslage, wenn Abgeordnete ihr Kind betreut haben wollen.

Daher nutzte es den Liberalen im EU-Parlament wenig, als sie vor kurzem eine Studie präsentierten, die die Ablehnung für Straßburg mit Zahlen unterlegte. Neun von zehn Mandataren plädieren für Brüssel als einzigen Parlamentssitz. An die 180 Millionen Euro jährlich könnten eingespart werden. Und 19.000 Tonnen CO2-Ausstoß könnten vermieden werden.

Doch die Franzosen beharren auf ihrem Standpunkt. Und können dabei einfach auf EU-Recht verweisen. Denn auch im neuen Lissaboner Vertrag ist festgelegt, dass Straßburg ein Parlamentssitz ist, wo regelmäßig Sitzungen abzuhalten sind.

Viel mehr als deren Anzahl reduzieren zu können, bleibt den Europaabgeordneten derzeit nicht. Denn den geltenden Vertrag dürfen nur die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten ändern. Sie müssten es einstimmig tun.