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Debatte um UN-Reform

Von Ines Scholz

Politik

Breiten Raum nimmt auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen heuer neben politischen Krisenherden auch die seit Jahren diskutierte Reform des UNO-Sicherheitsrates ein. Eine von UN-Generalsekretär Kofi Annan beauftragte Kommission will Anfang Dezember dazu ihre ersten Vorschläge vorlegen.


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Mit einem Minigipfel am Rande der Generaldebatte machten am Dienstag Deutschland, Indien, Brasilien und Japan öffentlichkeitswirksam ihren Anspruch deutlich, dass sie bei einer allfälligen Reform des Weltsicherheitsrats berücksichtigt werden wollen. Bisher besteht das Entscheidungsgremium der UNO nur aus den fünf ständigen Mitgliedern USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China (allesamt mit Vetorecht) - eine Zusammensetzung, die der Nachkriegsära entstammt und nach Meinung vieler UN-Mitgliedsstaaten nicht mehr zeitgemäß ist.

Auch die Vierer-Allianz, repräsentiert durch Deutschlands Außenminister Joschka Fischer, Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi, Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva und Indiens Regierungschef Manmohan Singh, argumentierte dahingehend: Der Sicherheitsrat müsse die Realitäten innerhalb der Staatengemeinschaft im 21. Jahrhundert widerspiegeln. Ihm müssten Staaten angehören, die den Willen und die Fähigkeit besäßen, wichtige Aufgaben zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu übernehmen, forderten sie in New York. Dabei sprachen sie sich dezidiert auch für einen ständigen Sitz Afrikas sowie für eine Aufstockung der Zahl der nicht-ständigen Mitglieder (bisher zehn) aus, die nach dem Rotationsprinzip halbjährlich bestellt werden.

EU wieder einmal uneins

Fischer bekräftigte Deutschlands Anspruch auch damit, dass das Land zu den größten UNO-Beitragszahlern weltweit gehört. Keine Chance mehr gab er indes dem ursprünglich auch von der Bundesregierung verfolgten Ziel eines gemeinsamen permanenten EU-Sitzes im Sicherheitsrat. Tatsächlich müssten in diesem Fall Frankreich und Großbritannien auf ihr bisheriges Privileg verzichten, was diese freilich ablehnen.

Nicht alle EU-Länder sind jedoch bereit, die Idee einer paneuropäischen Stimme ad acta zu legen. Vorgeprescht ist am Dienstag Schwedens Premierminister Göran Persson: "Ein gemeinsamer EU-Sitz sollte als Zukunftsoption nicht ausgeschlossen werden", mahnte er an die Adresse Deutschlands. Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft rechnete gleich vor, dass die 25 Mitgliedsstaaten mehr als 36 Prozent des ordentlichen UNO-Budgets und etwa die Hälfte aller freiwilligen Beiträge zu UNO-Fonds und UNO-Programmen leisten und zu Zeit mehr als 50.000 Soldaten für internationale Friedensmissionen zur Verfügung stellen. Vor einer Spaltung der EU durch einen ständigen Sitz Deutschlands warnte indes auch der EVP-Fraktionsvorsitzende im Europaparlament und CDU-Politiker Hans-Gert Pöttering. Deutschland könne sich nicht anmaßen, für alle anderen Europäer in der Union zu sprechen, dies würde die Uneinigkeit der Europäer nur verlängern.

Noch ist gar nicht sicher, ob sich die 191 UNO-Mitgliedsstaaten zu einer Reform des Weltsicherheitsrates überhaupt durchringen können. Vor allem die "ständigen Fünf" zeigen wenig Begeisterung. In Kürze will die Expertengruppe von Kofi Annan jedenfalls in Klausur letzte Hand an ihre Vorschläge anlegen. Eine Abstimmung der UN-Vollversammlung ist wenn frühestens 2005 zu erwarten.