Brüssel/Wien - Die Diskussionen reißen nicht ab. EU-Kommissar Franz Fischler hat mit seinen Vorschlägen zur EU-Landwirtschaftsreform die Nerven der Agrarminister getroffen. Die Reform war Hauptthema des gestrigen EU-Agrarrates in Brüssel. Frankreich wehrt sich vehement gegen die geplanten Änderungen, in vielen Punkten ist Österreich Verbündeter. Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer wiederholte gestern seine Kritik. Die Arbeiterkammer (AK) hingegen lobt den Vorstoß als zukunftsweisend, aber nicht ausreichend.
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Dezidiert gegen die neue Agrarreform, welche die Einkommen von Bauern pauschalieren soll und eine Obergrenze für Förderungen festlegt, haben sich neben Österreich bereits Frankreich, Deutschland und Irland ausgesprochen. Belgien und Portugal sind skeptisch, die Position Italiens ist noch unklar. Den Niederlanden, Schweden und Großbritannien geht die Reform hingegen nicht weit genug. Großbritannien ist etwa für eine Milch-Reform und für massive Einsparungen beim Agrarbudget. Kritik an Teilen gibt es auch aus Spanien und Griechenland.
Beim gestrigen EU-Agrarministerrat in Brüssel besprach Österreichs Landwirtschaftsminister Molterer mit seinem französischen Kollegen Herve Gaymard die Lage. Beide lehnen die Reform weitgehend ab. Die Agrarreform birgt für Molterer die Gefahr der Verknüpfung mit der EU-Erweiterung. Vor allem die Änderungen bei den Direktzahlungen werden von Molterer nicht goutiert: Durch die vorgesehene Pauschalierung der Prämien - künftig unabhängig von der bewirtschafteten Fläche und Zahl der Tiere - würde den Bauern der Leistungsbezug fehlen. Sein Einwand: Im schlimmsten Fall könnten Förderungen gar ohne Gegenleistung in Anspruch genommen werden. Molterer fürchtet darüber hinaus, dass Österreich von der Umschichtung der Direktzahlungen in die ländlichen Entwicklung nicht im selben Ausmaß wie andere Staaten profitieren werde.
Vor allem im Zuge einer Halbzeitbewertung der Agrarpolitik (Midterm-Review) sei eine so umfassenden Reform nicht angebracht, so Molterer. Frankreich macht als größter Netto-Empfänger von EU-Agrarmitteln ebenfalls Druck gegen den Fischler-Vorschlag. Präsident Jaques Chirac lehnt die tiefgehenden Neuerungen ab: Er werde die Leistungsfähigkeit der französischen Landwirtschaft nicht "opfern". Für Gaymard darf der Midterm-Review nicht die ab 2007 geplante Agrarreform vorwegnehmen: Es hätten sich darin "Dinge" gefunden, die man nicht erwartet habe, und andere "Dinge" nicht gefunden, die man eigentlich erwartet habe. Frankreich sei "extrem entschlossen" die Entkoppelung und die Degression der Direktzahlungen zu bekämpfen.
Kritik an der Kritik
In Österreich zählen zu den Verteidigern des Reformkonzeptes Grüne und AK. Wolfgang Pirklhuber, grüner Agrarsprecher, findet es "beschämend, wie Minister Molterer die zukunftsweisenden Vorschläge von Kommissar Fischler zu Fall bringen möchte." Die Verteidigung der Interessen der heimischen Kleinbauern sei nur vorgeschützt, um die Subventionen für die Großen weiterhin abzusichern. Denn für die Mehrheit der österreichischen Betriebe betragen die Direktzahlungen weniger als 5.000 Euro, diese seien folglich von den Kürzungen gar nicht betroffen. Der Rest müsste geringfügige in Kauf nehmen und nur 1,2 Prozent der Großbetriebe hätten mit absoluten Kürzungen zu rechnen.
Auch von der AK gibt es Lob für Fischler: Die Reform sei ein Schritt in die richtige Richtung - aber noch nicht ausreichend. Sollten die Agrarminister diese blockieren, so sei das gegen die Interessen vieler Bauern und Konsumenten. Denn die Änderungen zielten auf die Produktion sicherer Lebensmittel, mehr Umweltschutz und eine gerechtere Verteilung der Subventionen.