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Defekte Leimspuren

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Zu den positiven Erscheinungen der modernen Gesellschaft zählt deren Mobilität. Das betrifft nicht nur den Beruf. Ein Blick in die Reisekataloge von Hofer und Billa zeigt, dass globale Mobilität überall angekommen ist. Wahlen haben auf die gesellschaftliche Entwicklung Rücksicht zu nehmen, daher gehört die Briefwahl ganz selbstverständlich zu einem Wahlgang dazu. Der Vorschlag von Norbert Hofer, die Briefwahl wegen einer "defekten Leimspur" am Briefumschlag der Wahlkarte diesmal einfach wegzulassen, würde Zehntausende von der Wahl ausschließen. Hofer sagte nicht dazu, dass bei den Wahlkarten sein Kontrahent Alexander Van der Bellen mehr als eine Nase vorne hat. Aber man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Die nächste Verstimmung beginnt, weil Briefe mit Wahlkarten, die sich auf dem Postweg auflösen, automatisch ungültig sind. Der inoffizielle Hinweis der Hotline des Innenministeriums, doch sicherheitshalber mit einem Uhu-Stick nachzuhelfen, wird die italienischen Eigentümer von Uhu freuen, endet aber nach dem antiquierten Spruch des Verfassungsgerichtes vor Gericht.

Also wird es auf eine Verschiebung der Wahl hinauslaufen, eine Blamage der Sonderklasse.

Während die digitalisierte Welt des 21. Jahrhunderts elektronische Signaturen für E-Voting entwickelt, scheitert Österreich an einer "defekten Leimspur".

Es ist also hoch an der Zeit, dass sich die Parlamentsparteien zusammensetzen, um ein modernes Wahlrecht zu entwickeln. Und es ist hoch an der Zeit, dass die heimische Verwaltung erkennt, dass sich Österreich im 21. Jahrhundert befindet. Fotografen, die Promis bei der Wahl ablichten, könnten die Wahl manipulieren? Das Wahlkuvert darf nicht selbst eingeworfen werden, sondern nur vom Wahlleiter? Briefumschläge mit kaputtem Kleber rauben das Wahlrecht?

Das glaubt uns doch kein Mensch. Wenn die Wahl verschoben wird, und danach sieht es aus, muss sowieso ein Gesetz verabschiedet werden. Denn die Verschiebung der Wiederholungswahl auf aktueller Rechtsbasis ist ein Fest für Feinspitz-Juristen - und die nächste Aufhebung so gut wie sicher. Dieses neue Gesetz sollte innovativ sein, so innovativ wie der Vorschlag der Hotline, doch Uhu-Stick zu verwenden. Das ist wenigstens lösungsorientiert. Doch anstatt diese Person zu befördern, wird sie wohl rausgeschmissen werden. Ach, Österreich.