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Defensives Anlageverhalten?

Von Lars Borcher

Wirtschaft

Deutsche Fondsmanager zeigen sich zuversichtlich, dass die Terroranschläge in den USA keine langfristigen Schäden an den Märkten verursachen werden. Nach den ersten Einbrüchen an den Börsen sprechen Experten von einer ähnlichen Reaktion wie in der Asien-Krise 1997 oder der Lage im Vorfeld des Golf-Kriegs 1990. Trotz starker kurzfristiger Kursschwankungen raten sie von vorschnellen Verkäufen ab. "Wir gehen davon aus, dass die Anschläge nur einen temporären Effekt auf die Aktienmärkte haben", sagte Jochen Mathee, Fondsmanager bei Invesco Asset Management.


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Das Augenmerk vieler Fondsmanager richte sich nach der Katastrophe auf die Versicherungsbranche. Zudem beeinflusse das Anlageverhalten der US-Bürger die Märkte. Eine Bewertung der Auswirkungen der Anschläge sehen die Experten erst nach Wiedereröffnung der US-Börsen möglich. "Die Meinungen der Analysten über die Auswirkungen gehen auseinander. Zwischen minus 5 bis plus 5% scheint alles drin zu sein", sagte Mathee.

Private Anleger jetzt gefragt

Auch das Verhalten privater Anleger sei in einem Land mit einer so ausgeprägten Aktienkultur wichtig. Wenn die US-Bürger sich solidarisch zeigten und Aktien bewusst auch deshalb kauften, um die Lage zu stabilisieren, könnten die Indizes um 5% zulegen. Positiv wirke auch die Bereitschaft der Notenbanken, durch Bereitstellung ausreichender Liquidität für ein normales Funktionieren der Finanzmärkte zu unterstützen.

Ruhig verhalten

"Wir verhalten uns im Moment ruhig und schauen vor allem auf die Versicherungen", sagte Mathee. Horst Zirener, Vorstandsvorsitzender bei der Investmentbank Deka, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. "Es ist zu früh, um sagen zu können, ob es zu einer Rezession kommt. In den nächsten Tagen wird uns dies auf der einen Seite die Wall Street, auf der anderen die allgemeine wirtschaftliche Situation zeigen. Ich denke, es wird sich alles normalisieren und wir gehen zurück zu unserem normalen Geschäft." Die letzten drei Monate des Jahres seien die wichtigsten im Verbraucherverhalten. "Wir werden sehen, ob die Leute ihr Geld ausgeben oder sparen", sagte er.

Anders als Mathee, der Versicherungswerten ein beachtliches Potenzial attestiert, setzt er wenig Hoffnung auf die Versicherungsbranche. "Ich erwarte keine strahlenden Einnahmen bei den Versicherern oder den Fluggesellschaften."

Versicherungsaktien werden steigen

Ähnlich wie Mathee argumentiert Thomas Röder, ebenfalls Fondsmanager bei Invesco Asset Management. "Nach den Anschlägen gibt es eine starke Ausrichtung in defensive Titel, bis eine Entscheidung der amerikanischen Notenbank getroffen ist. Im Moment kaufe ich vor allem Aktien von Versicherungen." Wachstumstitel vermeide er dagegen in dieser Situation.

Auch Guido Schickentanz, Fondsmanager bei Julius Baer, bestätigt die gestiegene Bedeutung der Versicherer. "Die Nachfrage nach Versicherungsprodukten ist bisher nach großen Katastrophen immer gestiegen. Das bedeutet gefüllte Auftragsbücher für die Versicherer und Rückversicherer." Daher seien die Aktien von Versicherungen jetzt vor allem eine gute Investition für langfristig orientierte Anleger.

Die Analysten von Morgan Stanley stuften die Papiere am auf "Outperform" von "Neutral" herauf. Nach den Ereignissen in den USA werde - "so traurig es ist, das zu sagen" - die Nachfrage nach Versicherungsdienstleistungen und deren Preis ansteigen.

Der Versicherungskonzern Allianz legte zeitweise mehr als 2% auf 235,50 Euro zu. Allianz hatte mitgeteilt, das Ergebnis für 2001 werde durch die Terroranschläge erheblich belastet. Händler sagten jedoch, der Markt habe mit noch höheren als den von der Allianz genannten Summe von bis zu 700 Mill. Euro gerechnet.