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"Defizit ist kein Problem"

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Knapp zwei Wochen vor dem EU-Referendum sieht sich die polnische Regierung mit einer Mängelliste aus Brüssel konfrontiert. Versäumnisse in den Bereichen Wettbewerb, Finanzkontrolle oder Industriepolitik seien festzustellen. Bei seinem gestrigen Arbeitsbesuch in Österreich zeigte sich Polens Finanzminister Grzegorz Kolodko dennoch zuversichtlich, dass sein Land die Beitrittskriterien zeitgerecht erfüllen und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln werde.


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Grzegorz Kolodko ist ein Optimist. "Wir müssen schneller wachsen - und wir werden es tun", betonte der polnische Finanzminister gestern in Wien. So müssten die Anstrengungen bei der Umsetzung der im Beitrittsvertrag festgelegten Verpflichtungen vielleicht erhöht werden. Dass jedoch Fortschritte erreicht werden, sei nicht zu leugnen.

Dabei sieht sich die Regierung in Warschau nicht nur mit Anforderungen der EU konfrontiert, im Bereich des Milchquoten-Managements aufzuholen. Unabhängig davon gilt es auch, die Vorgaben des Budgets zu erfüllen und das marode System der öffentlichen Finanzen zu sanieren.

Vor wenigen Monaten hat Kolodko sein Programm zur Reparatur der Finanzen präsentiert. Als Antwort darauf erhielt er den Vorwurf, die Fehler seiner Vorgänger zu wiederholen. Keinem von ihnen ist es in den letzten Jahren gelungen, das Wachsen des Budgetdefizits einzudämmen. Gleichzeitig sind die Steuern gestiegen. Auf die Verschuldung angesprochen, kommentiert Kolodko knapp: "Das Budgetdefizit ist kein Problem." Bei einem für 2003 prognostizierten BIP-Wachstum von 2,8% soll das Defizit unter 40 Mrd. zloty (rund 8,3 Mrd. Euro) liegen.

Von radikalen Einsparungen bei den Staatsausgaben - heuer mit 193 Mrd. zloty (über 40 Mrd. Euro) veranschlagt - hält der Finanzminister wenig. Sie müssten zwar langsamer steigen, doch eine Ausgabensenkung sei nicht der richtige Weg. Denn einerseits müsse das Wirtschaftswachstum angekurbelt, andererseits in Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit investiert werden. Diese gehört in Polen zu den größten Problemen: Mit 18,7% hat sie heuer ihren bisherigen Höchststand erreicht. Erst im April ist sie um 0,3% zurückgegangen.

Zusätzlich müssen Mittel für das EU-Budget aufgebracht werden. Laut Berechnungen des Finanzministeriums seien für die Jahre 2004-2006 rund 6,5 Mrd. Euro für die Kofinanzierung der Unionsfonds notwendig. Polen erhielte aber doppelt so viel zurück.

Wieviel der Staat aus Privatisierungserlösen bekommen wird, ist ebenso eine offene Frage. Bis 2006 will Warschau den Privatisierungsprozess abgeschlossen haben. Dabei unterscheidet Finanzminister Kolodko zwischen zwei Sektoren: dem für Investoren interessanten wie dem Energiesektor und dem weniger attraktiven. Um die Sanierung bankrotter Kohlegruben reißt sich niemand.