Mit 1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) war das gesamtstaatliche Defizit Österreichs im Jahr 2002 deutlich geringer als ursprünglich vermutet, wie Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Staatssekretär Alfred Finz am Donnerstag stolz berichteten. Das im Herbst 2000 angestrebte Ziel eines ausgeglichenen Haushalts für 2002 konnte allerdings nicht erreicht werden. Vor allem die schwache Konjunktur und die Hochwasserkatastrophe haben den Budgetvollzug "negativ geprägt".
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Die Ausgaben des Bundes haben laut der vorläufigen Bilanz 2002 61,7 Mrd. betragen, die Einnahmen 59,3 Mrd. Euro. Das ergibt ein administratives Defizit von 2,4 Mrd. Euro. Das Maastricht-Defizit bezifferte Grasser mit 1,3% des BIP.
Jene "1,3% des Bundes sind wasserdichtest", wie der Finanzminister formulierte. Ein Unsicherheitsfaktor sei "praktisch nicht mehr vorhanden". Mit dem Überschuss der Länder reduziert sich das Defizit schließlich auf 1%.
Das ursprüngliche Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2002 ist damit jedoch praktisch gescheitert. In der Zwischenzeit sind die Wachstumsprognosen um mehr als zwei Punkte nach unten korrigiert worden, was sich beim Budget mit einem Minus von 0,9% des BIP auswirkt. Die Hochwasserkatastrophe im vergangenen Sommer habe mit 0,3% zum Defizit beigetragen. Ohne Konjunkturflaute und Hochwasser "würden wir bei einem Nulldefizit oder bei einem leichten Plus liegen", erklärte Grasser.
Die Steuereinnahmen sind im Vorjahr um 1,83 Mrd. Euro hinter dem im Herbst 2000 erstellten Voranschlag für das Doppelbudget 2001/02 zurück geblieben. Auch dafür macht der Ressortchef die schlechte Konjunkturentwicklung verantwortlich.
Den nun doch überraschend positiven Budgetvollzug begründete Grasser mit zwei Punkten: Einerseits sei man bei den Steuereinschätzungen sehr vorsichtig gewesen, andererseits habe man in den bisherigen Schätzungen höhere Ausgaben für die Abgeltung der Hochwasserschäden angesetzt, als sie 2002 tatsächlich getätigt werden konnten. Diese würden dafür heuer anfallen.
Das Ergebnis nannte Grasser als "absolut herzeigbares" im internationalen Vergleich. Scharfe Kritik übte er allerdings an der EU-Kommission. Noch vor wenigen Tagen hatte diese das österreichische Defizit mit 1,8% des BIP angegeben. Finz wirft der Kommission vor, die Hochrechnung mit falschen Fakten durchgeführt zu haben.
Noch im Dezember hatte er, Grasser, dem zuständigen EU-Kommissar Pedro Solbes erläutert, dass das Defizit anhand neuester Daten niedriger ausfallen werde. Mit diesem will er nun "ein ernstes Wort" reden, denn: "Österreich muss sich das nicht gefallen lassen, dass die Kommission unprofessionell und schlecht und nicht sorgfältig agiert." Geschädigt sei damit nicht nur Österreich, sondern auch die Glaubwürdigkeit der Kommission. Zwar war bereits im Jahr 2001 ein Nulldefizit erreicht worden, doch gestand der Finanzminister ein, dieses auf Grund eines "Ausreißers auf der Einnahmenseite" erreicht zu haben. Die Steuervorauszahlungen waren damals höher ausgefallen als erwartet.
Für die Opposition scheint der Kassasturz nicht nachvollziehbar. Beim Budgetvollzug sei nur bei der politischen Verantwortung gespart worden, betonte SPÖ-Budgetsprecher Christoph Matznetter. Er fordert ebenso wie die Grünen mehr Transparenz und ein genaues Controlling. Die nun präsentierten Daten wichen teilweise erheblich von jenen erst im Dezember veröffentlichten ab, sagte der Grüne Budgetsprecher Werner Kogler. Derartige Divergenzen in einem so kurzen Zeitraum sollten jedoch vermeidbar sein.