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Defizitproblem Hypo

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft
Von der Yacht bis zum Asphaltmischer - Die Krisenbank verscherbelt, was ihr "faule" Kreditnehmer hinterlassen haben.

Teile der Hypo-Milliarden könnten heuer ins Budgetdefizit durchschlagen und es auf deutlich über drei Prozent hieven.|Bleiben Bayern in "Balkan-Holding", die bis Ende 2015 verkauft wird?


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Wien. Man dürfe jetzt nicht hysterisch agieren, meinte Finanzminister Michael Spindelegger. Tatsächlich ist die Frage, ob die Hypo Alpe Adria nun 8,5, zehn, 13 oder 19 Milliarden Euro kosten wird, mit dem heutigen Wissensstand nicht zu beantworten. Das kann erst geschehen, wenn sämtliche Vermögenswerte der Hypo von der Anstalt genannten "bad bank" verkauft sind. Dann wird klar sein, welche Summe offen bleibt. Die Zahl zwischen 8,5 und zehn Milliarden Euro wird von Experten und dem neuen Hypo-Chef als realistisch eingeschätzt, vor 2025 wird es eine derartige Endabrechnung allerdings nicht geben.

Viel wichtiger ist freilich, wie das Hypo-Desaster im Bundesbudget unterzubringen ist. Sollte es die "Anstalt" geben gilt in Brüssel als sicher, dass 13 Milliarden Euro nicht nur die Staatsschuld auf über 80 Prozent erhöhen, sondern dass ein Teil davon auch als Budgetdefizit im laufenden Jahr zu verbuchen ist. "Es geht hier nicht um eine Eigentümer-Investition in ein laufendes, am Markt tätiges Unternehmen", ist von Eurostat zu hören. "Alle anderen Zuwendungen sind natürlich als Ausgabe und damit im Defizit zu verbuchen."

Davon geht wohl derzeit auch die EU-Kommission aus. Im März wird es die Defizit-Prognose für das laufende Jahr geben. Inoffiziell ist in Brüssel zu erfahren, dass hinter der Österreich-Zahl (irgendwas um 1,5 Prozent) eine Fußnote angebracht werden soll: errechnet ohne Maßnahmen für die Hypo Alpe Adria.

Suche nach Lösung spiegelt sich nicht in Zahlen wider

Einer der Gründe für das Schweigen der Regierung ist die verzweifelte Suche nach einer Lösung, die sich nicht in  den offiziellen Zahlen der Republik widerspiegelt. Denn die Buchung von Teilen der Hypo-Milliarden ins Budgetdefizit würde dieses auf über drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigen lassen – und ein Defizitverfahren der EU auslösen.

In Summe würde das wenig ändern, denn bei einer staatlichen bad bank bleibt sowieso alles am Steuerzahler hängen.  Es geht vielmehr darum, wieviel des Desasters auch sichtbar wird. Denn die Sichtbarkeit hat zwei entscheidende Nachteile: Ein Budgetdefizit jenseits der drei Prozent, das auf eine Bank zurückzuführen ist, würde die Finanzmärkte natürlich insgesamt auf Österreichs Bankwesen aufmerksam machen. Damit wieder – so meinen Banker – könnte eintreten, was die "bad bank" im Gegensatz zur Insolvenz eigentlich vermeiden sollte: Die Refinanzierung der Banken am internationalen Kapitalmarkt könnte sich verteuern.

Das größte Problem wäre aber politisch: Wie soll die Regierung der Bevölkerung erklären, dass die Hypo nun auch einen offiziellen "blauen Brief" der EU-Kommission auslösen könnte? Denn am Ende eines Defizitverfahrens könnten Strafzahlungen des betroffenen Landes stehen, so sieht es das EU-Prozedere vor. Selbst wenn das de-facto unmöglich ist, würde der Erklärungs-Notstand der Regierung steigen. "Für die Opposition, die sich ohnehin schon auf die Regierungsparteien wegen der Hypo einschießt, würden dadurch noch ein Argument in die Hand bekommen", sagte der PR-Chef einer großen in Brüssel tätigen Agentur, die sich auch mit der Europawahl beschäftigt.

Höheres Defizit hätte weitrechende Folgen

Während selbst in den Krisenstaaten wie Griechenland das Defizit sinkt, würde es in Österreich steigen. Mit weitreichenden Konsequenzen. Denn im Juni kommt die EU-Kommission mit den budgetpolitischen Empfehlungen für die Mitgliedsländer, genannt das "Europäische Semester". Das wurde vereinbart, als die Euro-Krise am Höhepunkt war, und die EU eine Form der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit vereinbaren wollte. "Das funktioniert nicht wirklich so wie man sich es damals vorstellte, aber es gibt es immerhin", sagte Thomas Wieser, Chef der "Euro Working Group" im Europäischen Rat. Wie die Empfehlungen der Kommission ausschauen werden, vermag derzeit niemand zu sagen. Bis dahin sollte aber klar sein, welche Variante bei der Hypo-Abwicklung tatsächlich zum Zug kommt.
In Brüssel jedenfalls steigt die Sorge, denn die EU-Kommission muss dem Gesetz zur Hypo-Abwicklung zustimmen. Dass die Regierung am Montag die staatliche "bad bank" quasi verkündete, doch im Lauf der Woche immer weiter davon abrückte, und jetzt wieder eine Hypo-Insolvenz für möglich hält, wird mit großem Interesse beobachtet. "Spindelegger wird sich am Montag b ei der Eurogruppe sicherlich Fragen gefallen lassen müssen, denn österreichische Banken gelten generell als schwach kapitalisiert. Österreich sollte die Hypo rasch lösen", ist aus der Kommission inoffiziell zu hören.  Die jüngste Aussage des Finanzministers, auf neue Vorschläge der Hypo-Arbeitsgruppe zu warten, wird in Brüssel eher nicht verstanden. Die Hypo ist seit Dezember 2009 verstaatlicht, nachdem sich der damalige Eigentümer, die Bayerische Landesbank, nicht mehr imstande sah, die Tochter zu retten. Da damals ein Bank-Run am Balkan und schwer wiegende Folgen für die anderen Banken befürchtet wurden, sowie die Landeshaftungen Kärntens noch mehr als 20 Milliarden Euro ausmachten, entschied sich die Regierung in Wien für die Verstaatlichung.

Seither sind 4,8 Milliarden Euro in die Hypo geflossen, aber zur Abwicklung der Bank ist bisher wenig geschehen. Ein Fortbetrieb wird ausgeschlossen, die sechs Balkan-Banken müssen – wie berichtet – bis Ende 2015 verkauft werden.

Derzeit wird offenbar eine bad bank-Variante geprüft, in der die Hypo Alpe Adria als Bank bestehen bleibt, inklusive der 2,3 Milliarden Euro aus der Bayerischen Landesbank.  Jene Vermögenswerte, die abgewickelt werden, sollen herausgelöst und in die "Anstalt" eingebracht werden.  "Wenn das passiert, wäre es für die Bayern überhaupt das beste", sagte ein Banker zur "Wiener Zeitung". Sie würden dann von der guten Bonität der Republik profitieren, ohne dafür zu bezahlen. Das immerhin macht die Hypo noch. Für die Haftungen des Landes Kärnten bezahlt die Bank Entgelt.