Preissensibilität lässt Konsumenten noch immer zu No-Names greifen.
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Berlin. 79 Cent für ein Kilo Bananen? "Das geht nicht", sagt Dieter Overath. Vor genau zwanzig Jahren hat der gelernte Bürokaufmann "Fairtrade Deutschland" mitgegründet. Seither ist er Geschäftsführer des Gütesiegels und engagiert sich für ordentliche Arbeitsbedingungen für Kaffee- und Kakaobauern, Bananen- und Baumwollpflücker. Der Fairtrade-Plan: Möglichst viele Unternehmen sollen ihre Produkte zertifizieren lassen, sich also an Kriterien halten wie Mindestlöhne und Abnahmegarantien - wobei diese Produkte freilich möglichst oft gekauft werden müssten.
Tatsächlich steigt der Umsatz von Fairtrade. Auch allgemein wird mehr auf "Nachhaltigkeit" geachtet. Dennoch: Der Großteil der Lebensmittel und Kleidungsstücke wird nicht umweltfreundlich und sozial verträglich gehandelt. Woran das liegen könnte, diskutierten Vertreter mehrerer großer Unternehmen und Fairtrade-Chef Overath kürzlich in Berlin.
Ob jemand fair gehandelte Produkte kauft, hängt unter anderem von Preis und Image ab. Deutsche gelten als besonders preissensibel: Der Marktanteil von Diskontsupermärkten liegt in der Bundesrepublik bei 44 Prozent; in Österreich sind es 25 Prozent. Auch der Faktor Gewohnheit spielt eine Rolle. Viele kaufen, was sie immer kaufen - besonders in Eile. Politische Diskussionen könne man hier nicht führen. Es gehe darum, den Reflex "Kennst du, willst du, kaufst du" zu erzeugen, sagte Overath. Und der Einzelhandel sollte auf Angebote verzichten, bei denen der Preis gar nicht an den Wert der Ware herankommt: "Bananen müssen gedüngt und gepflegt werden, man erntet sie bei 37 Grad, schleppt 40 Kilo auf den Schultern zur Waschanlage, schneidet sie, bringt sie zur Packstation. Dann werden sie verschifft, und bevor sie im Supermarkt landen, lagern sie in der Reiferei."
Solange Läden "nachhaltige" und "konventionelle" Produkte anbieten, werden Konsumenten nicht zwangsläufig die nachhaltige Variante wählen, ist Timm Duffner, Markenstratege von Ben&Jerry’s, überzeugt. Das US-Speiseeisunternehmen - 2001 vom Unilever-Konzern aufgekauft - stellt derzeit das gesamte Sortiment auf Fairtrade um. Es brauche immer einen, der "den mutigen Weg geht" und Risiken in Kauf nehme, so Duffner.
Verwässerung vom Zertifikats-Gedanken
Was aber ist mit den großen Eismarken "Eskimo" und "Langnese", die ebenfalls zu Unilever gehören? 60 Prozent des Kakaos für die Sorte "Magnum" sollen noch heuer aus "nachhaltigem Anbau" bezogen werden.
Bis 2015 will man 100 Prozent von der Organisation "Rainforest Alliance" zertifiziert haben, deren Auflagen nicht so streng wie jene von Fairtrade sind. Der "Rainforest Alliance" wird etwa vorgeworfen, dass sie der Industrie durch ihre laxen Voraussetzungen für Umweltauflagen vor allem hilft, ein einfaches Gütesiegel zu bekommen.
Der US-Konzern Mars will bis 2020 den gesamten Kakao aus "zertifiziertem Anbau" beziehen - und nennt dabei sowohl "Rainforest Alliance" als auch Fairtrade als Zertifizierungen.
Wichtiger für den Konsumenten als der Preis ist laut Martyn Bowen, Chef von Puma Austria, das Image einer Marke. Bowen spricht damit den Haben-Wollen-Drang an, wenn man sich mit einer Marke identifiziert. Auch Puma steigt bei Fairtrade ein und bringt im Sommer eine eigene Linie heraus. Man wolle das begehrteste und zugleich nachhaltigste Sport-Lifestyle-Unternehmen der Welt sein, sagt Bowen.
Angst vor der Entrüstung der Konsumenten
Doch wie bei anderen auch sind die Puma-Zulieferbetriebe laut der "Kampagne für Saubere Kleidung" weit entfernt von "fair": Existenzsichernde Bezahlung und Gewerkschaftsfreiheit seien in Fabriken wie Kaoway Sports Ltd in Kambodscha nach wie vor kein Standard. Es sei aber im "Eigeninteresse des Shareholders", dass Unternehmen nachhaltig agierten, meint Bowen. Das sieht Duffner von Ben&Jerrys ähnlich. Für ihn steht fest: Wenn Konsumenten wollten, könnten sie Unternehmen blitzschnell zu Fall bringen.