)
1992 fand in Rio de Janeiro, Brasilien, die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) statt. Im September 2002 folgt nun in Johannesburg, Südafrika, "Rio + 10". Dieses neuerliche Großereignis soll einerseits Bilanz ziehen und die Weichen neu stellen. Die Vorbereitungen laufen weltweit und andererseits auf vielen Ebenen. Wo steht die internationale Staatengemeinschaft genau ein Jahr vor dem UN-Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung (WSSD)?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Rio 92 war ein Schlüsselereignis für alle, die sich mit der Zukunftsfähigkeit der Wirtschafts- und Lebensweise moderner Industriegesellschaften beschäftigen. Auf Rio 92 berufen sich aber auch jene, die ein menschenwürdiges Leben für alle Erdenbürger und -bürgerinnen als moralische Forderung aufrecht erhalten. Nach Rio 92 beherrschte der Begriff "nachhaltige Entwicklung" (sustainable development) die Diskussionen. Er geht auf den sogenannten Brundtland Report (1989) zurück. Darin wurde der Anspruch erhoben, die Bedürfnisse der heute lebenden Generationen zu erfüllen, ohne die nachfolgenden Generationen in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse einzuschränken.
- Rio hat die Doppelkrise von Umweltzerstörung und Armut ins Blickfeld gerückt;
- in Rio haben die Industrieländer erstmals die Hauptverantwortung für die Öko-Krise übernommen;
- Rio hat thematisiert, dass das Wirtschafts- und Konsummodell des Nordens nicht für alle Menschen gelten kann;
- Rio steht außerdem für die Anerkennung demokratischer Beteiligung von NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) und vieler Bevölkerungsgruppen (z.B. indigene Völker).
Diskrepanzen
Die wichtigsten Vereinbarungen von Rio 92 waren folgende: Die rechtlich verbindlichen Konventionen zu den Problemkreisen Klimaschutz und biologische Vielfalt, die Agenda 21 und die Rio-Deklaration. Die Bilanz der Umsetzung sieht nach neun Jahren nicht rosig aus. Kritiker sprechen davon, dass sich viele internationale Abkommen als Papiertiger erwiesen haben. Selbst Klaus Töpfer, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms UNEP, konstatiert "eine alarmierende Diskrepanz zwischen Versprechungen und Aktionen".
Agenda 21
Zum Beispiel die Agenda 21: Sie definierte die Aktionsbereiche zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung. Die Bildung von Agenda-21-Initiativen (LA21) auf Gemeindeebene ist tatsächlich vorangekommen, leider nicht in den armen Ländern. Hier könnte die
Entwicklungszusammenarbeit auch in Zukunft unterstützend tätig werden.
Eine nachhaltige Entwicklung ist aber im Grunde ohne einen Wandel im Wertesystem der Konsumgesellschaften nicht erreichbar. Konkrete Fortschritte in dieser Richtung blieben aus.
Zum Beispiel biologische Vielfalt: Die Bewältigung der drei Herausforderungen (Erhalt der Artenvielfalt, ihre nachhaltige - d.h. nicht zerstörerische - Nutzung und ein faires Teilen der Gewinne aus dieser Nutzung) ist nach wie vor offen. Täglich sterben Hunderte biologische Arten aus. Sowohl wirtschaftlicher Fortschritt als auch Armut bedrohen die biologische Vielfalt. Es braucht nationale Aktionspläne und eine Beteiligung der betroffenen Bevölkerung bei ihrer Umsetzung.
Zum Beispiel Klimawandel: Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen ist dramatisch angestiegen. Industrialisierte Länder müssen Wege finden, ihren Energieverbrauch zu drosseln und erneuerbare Energieformen einzusetzen. In armen Ländern haben andererseits geschätzte 1,5 Milliarden Menschen einen unbefriedigenden Zugang zu Energieversorgung.
Bereits bei der ersten PrepCom im Mai d.J. zeigten sich hier Unstimmigkeiten besonders deutlich. Angesichts der Aufkündigung des Kyoto-Protokolls durch die US-Regierung hatte die EU alle Unterzeichner der Klimakonvention aufgefordert, sich konstruktiv für eine Verabschiedung des Kyoto-Protokolls bis zum Weltgipfel in Johannesburg einzusetzen. Der Vorstoß wurde abgeblockt.
Eine Flut von Berichten und Studien zeigt deutlich, dass der Mensch die Verantwortung für die Zukunft und für das Leben auf diesem Planeten bisher nicht übernommen hat. Die reichen Länder verbrauchen mit ihren 20% der Weltbevölkerung nach wie vor 80% der Ressourcen. Etwa 2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. 1,2 Milliarden leben in absoluter Armut. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Es braucht konkrete Maßnahmen und Aktionen. Kann "Rio + 10" neuen Auftrieb bringen?
Ohne Geld ka Musi
Die schönsten Beschlüsse bringen nichts, wenn kein Geld in der Kassa ist. Genau daran ist die Umsetzung vieler sinnvoller Ansätze der Agenda 21 und der anderen Dokumente gescheitert.
In Rio haben sich die armen Länder des Südens ihre Zustimmung zur Umwelt-Agenda durch Zusagen für höhere Entwicklungshilfeleistungen abringen lassen. Doch von wenigen Ausnahmen wie der Globalen Umweltfazilität (GEF) abgesehen, gab es kein neues Geld. Im Gegenteil: Die Entwicklungsleistungen der Industrieländer (ODA) sanken seither um fast ein Drittel auf 0,24 Prozent des BSP. Nur wenige arme Länder profitieren vom wachsenden privaten Kapitalfluss.
Die Industrieländer sahen sich daher unter Zugzwang und gaben dem Drängen nach einer UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung nach. Sie wird vom 18. bis 22. März 2002 in Monterrey, Mexiko, stattfinden. Dabei soll ein breites Spektrum möglicher Finanzierungsquellen angesprochen werden. Sollte Monterrey ein Erfolg werden, wäre Johannesburg stark entlastet, denn die Frage der Finanzierung ist wie überall ein Dreh- und Angelpunkt.
Neue Themen
Die WSSD muss sich ohnedies auf neue heiße Themen einstellen. Die Globalisierung wurde in Rio zum Beispiel gar nicht angesprochen. Klare Anforderungen an die WTO (damals GATT), die Weltbank oder den IWF, allesamt Institutionen mit enormem Einfluss auf Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt, sind zu stellen. Nitin Desai, einer der Architekten der Agenda 21 und in den Vereinten Nationen für die Organisation von WSSD verantwortlich, meint: "Es genügt nicht den Leuten zu sagen, sie bräuchten sich vor der Globalisierung nicht zu fürchten. Sind wir denn sicher, dass sie die Ungleichheit auf dieser Welt reduzieren wird? Ich denke, es ist eine große Aufgabe, Globalisierung zum Wohle aller zu gestalten."