Erstmals seit 1918 ist eine neue Art der seltenen Flussdelfine entdeckt worden.
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Wien. Flussdelfine gehören zu den seltensten Geschöpfen der Erde. Im Grunde zählen nur vier Arten dazu: der Amazonas-Delfin (Inia geoffrensis), der mit diesem eng verwandte Bolivianische Delfin (Inia boliviensis), der La-Plata-Delfin (Pontoporia blainvillei) und der chinesische Flussdelfin beziehungsweise Jangtse-Delfin oder Baiji (Lipotes vexillifer), der aber bereits seit Dezember 2006 als ausgestorben gilt. Die Entdeckung einer weiteren, fünften Art (es gibt auch noch die Gangesdelfine, die aber nur entfernt mit den anderen verwandt sind) wird nun aus Brasilien gemeldet. Die neue Spezies ist die erste, die man seit 1918 gefunden hat. Sie wurde nach dem Fundort, dem Fluss Araguaia benannt (Inia araguaiaensis) und aktuell im Fachjournal "Plos One" beschrieben.
Die Forscher um Tomas Hrbek von der Federal University of Amazonas, der Hauptautor der Studie ist, nehmen an, dass sich diese Spezies von verwandten südamerikanischen Arten vor mehr als zwei Millionen Jahren getrennt hat. Die heutige Population dürfte nur etwa 1000 Tiere umfassen und eine geringe genetische Diversität aufweisen, was den Forschern Sorgen bereitet. Schon drei der vier bisher bekannten Arten stehen auf der Roten Liste der Internationalen Naturschutzunion IUCN (International Union for Conservation of Nature), was bedeutet, dass ihr Bestand höchst gefährdet ist.
Gejagte Delfine in Japan sind sehr entfernt verwandt
Weit mehr im Fokus der Tierschützer befinden sich derzeit freilich die Meeresdelfine vor der Küste Japans, von denen dieser Tage dutzende im Walfangort Taiji abgeschlachtet beziehungsweise zum Verkauf an Delfinarien und Vergnügungsparks ausgesondert worden sind. Von japanischer Seite wurde die heftige internationale Kritik zurückgewiesen. Japan habe eine andere Esskultur, Delfine unterlägen nicht dem Walfangverbot, die Jagd auf sie werde "auf Grundlage des Gesetzes" ausgeübt.
Die Flussdelfine sind mit den Delfinen im Meer nur sehr weitschichtig verwandt und bilden eine eigene Zahnwal-Familie mit einer Länge von maximal drei Metern und einem Gewicht bis zu 160 Kilogramm. Typisch für sie sind lange Schnäbel, mit denen sie gut im Schlamm der Flussböden nach Fischen jagen können. Der Amazonas-Delfin, auch Rosa Delfin oder Boto genannt, gilt als das intelligenteste Tier unter allen Flussbewohnern.
Wie Thomas Hrbek gegenüber "BBC News" erklärte, ist der Araguaia-Delfin oder Araguaia-Boto den anderen Arten sehr ähnlich. Seine Entdeckung sei sehr unerwartet gekommen und aufregend: "Es ist ein Gebiet, wo die Leute die Tiere die ganze Zeit sehen. Das sind große Säugetiere, aber keiner hat wirklich genau hingeschaut." Laut den Forschern unterscheiden sich die Tiere von den bisher bekannten Arten auch durch die Zahl der Zähne, vor allem aber in den Genen.
Neue Art gehört gleich auf Rote Liste der Naturschützer
Nach Analysen der DNA von Dutzenden Delfinen in beiden Flüssen - Araguaia und Amazonas - kamen die Wissenschafter zu dem Schluss, dass es sich um eine eigene Art handelt. "In der Wissenschaft kann man nie über etwas sicher sein", sagte Hrbek, aber man habe sich die mitochondriale DNA genau angeschaut und keine Übereinstimmung der Entwicklungslinien gefunden. Die beobachtete Divergenz sei größer als zwischen anderen Delfinarten gewesen.
Seit 1960, so Hrbek, habe sich das Flussbecken des Araguaia signifikant verändert, von einer Naturlandschaft zu einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet mit Staudämmen. Die neue Spezies sei als "verwundbar" anzusehen und gehöre daher auf die Rote Liste der Naturschützer.