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Der Staat Laos baut mehrere große Staudämme im Mekong. Die Nachbarstaaten sowie engagierte Umweltschützer sind dagegen.
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Sam, der 35-jährige Touristenführer, weiß Bescheid: "Hier wird der Staudamm entstehen". Und nein, er findet das nicht gut. Der Damm, sagt er, wird den Fluss verändern. Wir stehen am Ufer des Mekong auf laotischer Seite, drüben, am anderen Flussufer ist Kambodscha. Dazwischen liegt ein tiefes Flussbecken und hier leben noch sechs der vom Aussterben bedrohten Irrawaddy-Flussdelfine. Sie wären durch den Staudamm unmittelbar gefährdet, meint die Naturschutzorganisa-
tion WWF und macht gegen den geplanten Don Sahong Staudamm mobil.<p>Si Phan Don - "Viertausend Inseln" - nennt sich hier diese Re-gion mit den verzweigten Flussarmen und den ungezählten kleineren und größeren Eilanden. Es ist noch Trockenzeit und der Wasserstand und die Strömung des Mekong sind niedrig - dieses großen asiatischen Flusses, der im Norden entspringt und nach Tausenden von Kilometern in Vietnam im Meer mündet. Die "Viertausend Inseln" liegen nahe der Grenze zu Kambodscha, die nächste größere Stadt in Laos ist Pakse, 130 Kilometer im Norden liegend und mit einem internationalen Flughafen versehen.<p>
Beschauliche Inselwelt
<p>Eine der viertausend Inseln ist Don Det, ein überschaubares Eiland, rund zwei Kilometer lang. Es ist nur mit dem schwankenden Boot vom Festland aus erreichbar, es gibt einen Fährverkehr. An der Nordspitze der Insel liegt das Örtchen Ban Houa Det: Entlang der Ufer reihen sich Restaurants und es sind kleine einfache Bungalows zu mieten. Die Insel hat sich mittlerweile zu einem Treffpunkt für Backpacker und Reisende entwickelt, die wegen der entspannten Atmosphäre hierher kommen. Das Leben ist beschaulich und die Preise niedrig. Bei der "Happy Pizza" machen ebenso wie beim "Happy Shake" die Zutaten happy.<p>Mein Weg führt mich zu Lutz. Der 44-jährige Berliner lebt seit 2006 auf Don Det und hat mittlerweile in eine laotische Familie eingeheiratet. Zusammen mit seiner Frau betreibt er das "Mama Leuah"-Guesthouse und seine Speisekarte besticht unter anderem mit "Zürcher Geschnetzeltem".<p>"Ja", sagt Lutz, als wir auf der Veranda sitzen, "die Landvermesser waren schon da." Vor sechs Monaten kamen die Männer mit den Messinstrumenten und begannen ihre Arbeit. Nein, sagt Lutz, von offizieller Seite erfahre man nichts oder wenig zur Entstehung des Staudamms. Die Familie seiner Frau lebt auf ihrem Grundstück am Ufer des Mekong, neben dem Restaurant haben sie fünf kleine Hütten auf Stelzen gebaut, die an Touristen vermietet werden. Morgens um vier Uhr kräht der Hahn, abends bei Einbruch der Dunkelheit beginnen die Mekong-Frösche zu quaken.<p>Draußen, auf dem Fluss, schieben sich die langen, motorgetriebenen Boote der Einheimischen durch das Wasser. Die Menschen hier leben vom Reisanbau und vom Fischfang. In den vergangenen Jahren ist der Tourismus hinzugekommen. So kann man inzwischen bei drei Veranstaltern ganztägige Kajaktouren auf dem Mekong buchen. Eines der Hauptziele ist dabei das Wasserbecken mit den Flussdelfinen.<p>Man kann auf Don Det auch Fahrräder mieten, und mit einem dieser Mietfährräder mache ich mich auf den Weg. Das Ziel: das Örtchen Ban Hang Khon an der Südspitze der Insel Don Khon, eine durch eine Brücke verbundene Nachbarinsel von Don Det. Merkmal des Örtchens ist die alte Verladerampe aus Beton, errichtet von den Franzosen in der Kolonialzeit. Die Rampe war die Endstation einer kleinen Bahn, mit der die Handelsgüter wegen der Wasserfälle über Land umgeleitet wurden.<p>Der Weg führt durch das trockene Inselinnere entlang der ehemaligen Bahntrasse. Schließlich erreicht man Ban Hang Khon, eine Ansammlung von Holzhütten auf Stelzen. Von der Verladerampe aus öffnet sich der weite Blick auf den vorbeifließenden Mekong und es ragen Dutzende kleiner Felseninseln aus dem Wasser. Das Maschinenhäuschen, in dem früher die Lastenwinde untergebracht war, ist heute Verkaufsraum für die Bootsausflüge zu den Delfinen.<p>
Suche nach Delfinen
<p>Ich löse ein Ticket und mit einem Guide tuckern wir zusammen in seinem Boot hinaus in das Flussbecken vor Ban Hang Khon, es ist die Heimat beziehungsweise der Lebensraum der vom Aussterben bedrohten Irrawaddy-Delfine, lateinisch Orcaella brevirostris. Nur noch 85 dieser Delfine mit stumpfer Schnauze leben im Mekong, in dem Flussbecken hier sollen es gerade noch sechs Exemplare sein. Es sind die letzten in Laos.<p>Der Mekong fließt langsam und träge, jedenfalls zu dieser Jahreszeit. Der Bootsführer hat den Motor abgestellt, und so treiben wir ein wenig dahin und warten, dass sich irgendwo ein Flussdelfin zeigt. Die Luft flimmert über dem Wasser, es ist Mittagszeit. In der Nähe holt ein Fischer in seinem Boot die Netze ein. Der Mekong ist ein ungemein fischreicher Fluss mit mehr als 100 Fisch-
arten. Wir warten, doch es tut sich nichts. Bis plötzlich in einiger Entfernung eine Finne (Rückenflosse) aus dem Wasser ragt, dann noch eine. Und schon sind sie wieder verschwunden und tauchen auch nicht mehr auf. Es gibt sie also, die Irrawaddy-Delfine in Laos.<p>Ich verhandle mit meinem Bootsführer und gegen einen soliden Aufpreis fährt er mich ein Stück flussaufwärts zur Mündung des Sahong-Flussarmes. Er liegt zwischen den beiden Inseln Don Sahong und Don Sadam ("Don" heißt übrigens Insel). Doch wir können nur ein Stück weit in den Flussarm hineinfahren, bis uns kleine Stromschnellen die Weiterfahrt verbieten. Wir legen am linken Ufer an und erkunden die Gegend. Gut fünfzig Meter breit ist hier der Flussarm, und aus dem Wasser ragen hie und da einige kleine Felsen und sorgen für weiße Gischt. Am anderen Ufer haben Einheimische eine Art Fischreuse aus Holz gebaut, sie funktioniert bei höherem Wasserstand.<p>Und hier soll der Don Sahong-Staudamm entstehen. Die Mauer von 22,5 Metern Höhe soll in Zukunft das Wasser aufstauen und so ein Wasserkraftwerk betreiben, das 260 Megawatt Strom liefert.<p>Der Staudamm ist nur eines von mehreren Kraftwerksprojekten der laotischen Regierung entlang des Mekongs, mit denen das rückständige Land zur "Batterie Südostasiens", zum Energielieferanten werden soll. Der Don-Sahong-Damm wird von einer Firma in Malaysia gebaut, der "Mega First Corporation Berhad", der offizielle Baubeginn erfolgte im Jänner 2016. Die Errichtung von In-frastrukturbauten wie einer Brücke von der Insel Don Sadam zum Festland sind bereits fertiggestellt, ein Flussarm wurde trockengelegt.<p>
Argumente der Gegner
<p>Doch gegen das Projekt artikuliert sich seit längerem Widerstand. Da sind zum einen die Naturschützer, die gravierende Folgen etwa für die vom Aussterben bedrohten Flussdelfine befürchten. So startete der World Wildlife Fund (WWF) unter dem Motto "Todesstoß für Delfine" eine Anti-Staudamm-Kampagne.<p>"Die Flussdelfine im Mekong leiden schon heute unter extremem Stress und schädlichen Umweltbelastungen. Das Don-Sahong-Projekt wird eines ihrer letzten verbliebenen Habitate zerstören", warnt Jian-hua Meng, WWF-Referentin für nachhaltige Wasserkraft. Unter vielen anderen schädlichen Einflüssen der nahen Großbaustelle werde mit massiven Druckwellen zu rechnen sein, da für solche Baumaßnahmen enorme Gesteinssprengungen vorgenommen werden, so der WWF.<p>So sollen aus dem Hou-Sahong-Wasserarm 2,5 Millionen Kubikmeter Gestein herausgebaggert werden, um den Wasserdurchfluss zu erhöhen. Dies geschieht meist durch Sprengungen. Die Druckwellen seien für die Delfine mit ihrem extrem empfindlichen Gehör möglicherweise nicht nur schädlich, sondern könnten sie sogar töten, fürchtet der WWF.<p>Außerdem sei durch den Bau des Staudammes in der Region ein erhöhtes Schiffsaufkommen, Veränderungen der Wasserqualität und die mit dem Bau einhergehende Zerstörung des Ökosystems zu befürchten. Zudem bedrohe der Staudamm die weltweit größte Binnenfischerei, da er die Fischwanderungen im Flusssystem blockieren werde. "Die wirtschaftliche Grundlage und Ernährungssicherheit für Millionen von Menschen ist bedroht", warnt Meng.<p>Die Vertreter des Projekts halten entgegen, der Ausbau des Wasserarms erfolge trocken, das Wasser werde über sogenannte Kofferdämme abgehalten und die Explosionen könnten sich unter Wasser gar nicht fortpflanzen.<p>
Sorgen der Nachbarn
<p>Doch es geht den Ausbaugegnern nicht nur um die Delfine. In der sogenannten "Mekong River Commission" (MRC) sind die unteren vier Anrainerstaaten des Mekong zusammengeschlossen: Laos, Kambodscha, Thailand, Vietnam.<p>Das zwischenstaatliche Gre- mium verfolgt das Ziel, Wasser und andere Ressourcen des Flusses zum gegenseitigen Nutzen der Länder nachhaltig zu managen und zu entwickeln, und dazu gehören auch gegenseitige Konsultationen bei Eingriffen. Kambodscha und Vietnam befürchten nun aber Auswirkungen des Staudammbaus, etwa was den Fischreichtum anbelangt oder die Sedimente. Denn der Mekong trägt fruchtbaren Schlamm bis hinunter in das Flussdelta in Vietnam - die "Reisschüssel Südostasiens". Nun sorgen sich die Anrainer-Staaten, dass dieser Schlamm durch den Staudammbau zurückgehalten wird. Gefordert wird eine Aussetzung des Projektes, bis zusätzliche Studien zu den Auswirkungen verfügbar sind.<p>Weiter nördlich den Mekong hinauf wird schon am Xayaburi-Damm gearbeitet, und andere Projekte sind geplant. Die Regierung der laotischen Volksrepublik sieht die Kritik an diesem Energieprogramm vor allem als Versuch, dem armen Land die Nutzung seiner natürlichen Ressourcen zu untersagen. In einem Zeitungsartikel beschuldigte der laotische Energieminister die Staudammgegner der Panikmache. Diese fürchten hingegen die Eingriffe in das empfindliche Ökosystem des großen Flusses.
Rudolf Stumberger, geboren 1956, arbeitet als Journalist und als freiberuflicher Dozent für Soziologie und Wirtschaft in München.