Der jüngste Beitrittskandidat Albanien hat mühevolle Reformen zu bewältigen.
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Brüssel/Luxemburg/Tirana. Fünf Jahre hat es für Albanien gedauert. So lange musste sich das südeuropäische Land gedulden, bis sein Antrag auf eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union erste Erfolge zeitigte. Nun hat es den Status eines Beitrittskandidaten erhalten. Albanien ist damit seinem Ziel ein Stück näher gerückt; auf dessen Erfüllung muss es freilich noch weitere Jahre warten. Nicht einmal der Termin für die Aufnahme der offiziellen Verhandlungen mit der EU steht schon fest.
Dennoch zeigte sich Erweiterungskommissar Stefan Füle über die Entscheidung der EU-Außenminister erfreut, die bei ihrem Treffen in Luxemburg den Status beschlossen. Er sieht dies gleichzeitig als Ermunterung für Albanien zu weiteren Reformen; für den österreichischen Außenminister Sebastian Kurz ist es eine Anerkennung der bisherigen Fortschritte. Die Kommission hat schon vor mehreren Monaten empfohlen, das Land zum Kandidaten zu machen, doch manche EU-Mitglieder wollten nicht zuletzt die Entwicklung nach den Wahlen im Vorjahr abwarten. Die Regierung von Ministerpräsident Edi Rama musste nicht nur die politische Polarisierung abmildern, sondern auch die EU von ihrem Willen überzeugen, die geforderten Reformen durchzuführen. Das sei kein einfacher Job gewesen, erklärte Rama: Europa sei keine leicht zu öffnende Tür. Doch habe sein Land in den Augen der internationalen Partner seine "verlorene Würde" wiedererlangt.
Sein Kabinett hat allerdings noch viel Arbeit vor sich. In ihrer Erklärung fordern die EU-Außenminister Tirana auf, die Bemühungen zur Stärkung der demokratischen Prinzipien, zu Verbesserungen in der öffentlichen Verwaltung sowie im Justizbereich, bei der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen und Korruption oder der Sicherung von Menschen- und Minderheitenrechten zu intensivieren. Ebenso müsse das Land effizienter gegen Dokumentenfälschung und Geldwäsche vorgehen - aber auch seine Bürger davon abhalten, "unbegründete Asylanträge" zu stellen.
Das ist einigen EU-Mitgliedern ein Anliegen, unter anderem Deutschland. Von dort kommen immer wieder Klagen über einen Anstieg von Asylansuchen aus den Balkanstaaten. Im Vorjahr erreichte die Zahl der Bewerber den höchsten Stand seit den 1990er Jahren. Neben Syrern, Serben und Afghanen kamen vor allem Menschen aus Mazedonien, Albanien und Bosnien-Herzegowina.
Dennoch war es ein anderes EU-Land, dessen Zustimmung zur Verleihung des Kandidatenstatus bis zuletzt unsicher erschien. Mit Tschechien musste Albanien nämlich noch einen Stromstreit schlichten. Tirana hatte dem tschechischen staatlichen Energiekonzern CEZ wegen angeblicher Vertragsverletzungen die Lizenz entzogen. Nun sollen die Tschechen als Entschädigung für Investitionen in den Energieversorger Shperndarje bis zum Jahr 2018 an die hundert Millionen Euro erhalten.
Im Kampf gegen Armut
Doch nicht nur EU-politische Aufgaben liegen vor der albanischen Regierung. Diese muss ebenfalls an einer Verbesserung der Lebenssituation ihrer Bürger arbeiten. Das Nato-Mitglied mit seinen rund drei Millionen Einwohnern gehört weiterhin zu den ärmsten Ländern Europas. Zwar konnte es als eines der wenigen in den vergangenen Jahren durchgehend eine wachsende Wirtschaft aufweisen. Jedoch ist fast ein Fünftel der Bevölkerung arbeitslos, und das jährliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt nicht einmal 3500 Euro. Erst zu Jahresanfang hat die Regierung einen Kreditvertrag mit dem Internationalen Währungsfonds abgeschlossen, in Höhe von mehr als 300 Millionen Euro. Das Geld soll in die Steuerrückerstattung für Privatunternehmen fließen, aber auch in Pensionen und den Energiesektor.
Gleichzeitig betonen ausländische Investoren das Geschäftspotenzial Albaniens. Auch die Wirtschaftskammer Österreich weist auf die Chancen hin. Laut ihren Angaben sind die Exporte nach Albanien gestiegen, wobei das Vorjahr aber eine Ausnahme bildete. Von 2012 auf 2013 sind die Ausfuhren auf 49 Millionen Euro gesunken. Doch gehört Österreich mit knapp 500 Millionen angelegten Euro weiterhin zu den wichtigsten Auslandsinvestoren.
Mit der Ernennung zum Beitrittskandidaten rückt Albanien in den Kreis mehrerer Balkanstaaten vor. Neben der Türkei haben auch Montenegro, Mazedonien und Serbien den Status. Für den Kosovo und Bosnien-Herzegowina ist dieser noch nicht in Sicht.