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Dem Euro läuft die Zeit davon

Von Reinhard Göweil

Europaarchiv
Die Streikwelle in Griechenland setzt sich fort. Gestern protestierten Beamte und Hafenarbeiter. Foto: reu

Diskussion um Beteiligung privater Investoren an der Rettung des Landes: Banken müssten auf Teile ihrer Forderungen verzichten. | EU ist gegen solche Lösung, dafür ist Euro-Bond wieder im Spiel. | Athen/Brüssel/Wien. In Athen steigt der Druck der Straße auf die Regierung; auf den Finanzmärkten steigt der Druck auf den Euro; in Washington bei der Tagung des Internationalen Währungsfonds steigt der Druck auf die EU, endlich etwas zu unternehmen. Und am Donnerstag hat das EU-Statistikamt weitere Schulden Griechenlands veröffentlicht. | 2009 brachte allen EU-Mitgliedstaaten kräftige Defizite | Strauss-Kahn: Sind noch nicht über den Berg


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Das Budget-Defizit 2009 betrug nicht 12,9, sondern kann im Ernstfall sogar bis auf 14,1 Prozent steigen. Für griechische Schuldverschreibungen müssen schon 8,3 Prozent Zinsen bezahlt werden.

"Es ist nicht mehr die Frage, wie Griechenland aus der Misere herauskommt, sondern, wie die notwendige Umschuldung organisiert wird", sagte ein Finanzanalyst, der namentlich nicht genannt werden wollte. Experten im Internationalen Währungsfonds überlegen derzeit - so ist von Insidern zu hören - sogar, private Investoren an der Rettung des Mittelmeerlandes zu "beteiligen".

Als Instrument könnten sogenannte Brady-Bonds fungieren (siehe Wissen-Kasten). Kurz gesagt, würde die EU für Griechenland-Schulden Anleihen begeben, die mit besserer Bonität ausgestattet sind. Im Gegenzug verzichten (im wesentlichen) Banken auf 30 bis 40 Prozent ihrer Forderungen. Das würde vor allem französische, Schweizer, deutsche und griechische Banken hart treffen.

Von der EU kommt dazu ein Nein. Doch die Entwicklung Griechenlands macht auch die hartgesottene deutsche Regierung langsam weich. Bis 2014 könnte die Staatsschuld von 113 auf 150 Prozent steigen. Wegen der nötigen Kürzung der Löhne und Gehälter, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu steigern, erwarten Ökonomen Deflation, also sinkende Preise. Die griechische Wirtschaft droht heuer um bis zu fünf Prozent zu schrumpfen, auch im nächsten Jahr gibt es ein Minus.

8700 Milliarden Euro-Schuld

Die Kehrtwende von 14 auf 3 Prozent Budgetdefizit engt den Spielraum der Regierung in Athen auf Null ein. Im Land kommt die Regierung unter Druck, weil nun klar ist, dass es 2011 und 2012 noch schärfere Sparmaßnahmen geben wird müssen. Die Bevölkerung ist immer weniger bereit, dies hinzunehmen, und geht auf die Straße.

Bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington versuchen Finanzminister und Notenbanker fieberhaft, einen Ausweg zu finden.

Der Euro ist am Donnerstag mit 1,3260 zum Dollar auf ein Jahrestief gefallen. All dies könnte bedeuten, dass der offizielle Hilferuf Griechenlands an den Währungsfonds und die EU schon in den kommenden Tagen erfolgt.

Derzeit liegt ein 45-Milliarden-Euro-Paket am Tisch, davon kommen 30 Milliarden von den Euro-Staaten. "Die Märkte werden Griechenland und nun auch Portugal und Irland weiter ausreizen, weil es da viel Geld zu verdienen gibt", sagte ein Notenbanker.

Laut Eurostat machten die Schulden der EU-Länder (ohne private) zu Jahresbeginn 8700 Milliarden Euro aus. Das Budgetdefizit aller 27 EU-Länder wird 2010 mehr als 800 Milliarden Euro betragen. Bei solchen Summen addieren sich schon kleine Zinsveränderungen hinter dem Komma zu ungeheuren Beträgen.

Umschulden statt retten

Auf der Soll-Seite der Länder sind dies höhere Budgetausgaben, die angesichts dieser Zahlen immer schwieriger zu stemmen sind. An einer Umschuldung Griechenlands führt - Experten zufolge - kein Weg vorbei. "Die Griechen haben sich recht kurzfristig verschuldet, bis Ende nächsten Jahres reifen 80 Milliarden Euro Altschulden ab, die mit neuen Anleihen gedeckt werden müssen. Es geht darum, die Schuld über mehrere Jahre zu verteilen", so ein Banker. Das geht aber nur mit Hilfe der Euro-Partner. Also ist die von Deutschland ursprünglich verworfene Idee einer gemeinsamen Euro-Anleihe wieder da. Die Europäische Investitionsbank könnte die Anleihe begeben, zu deutlich günstigeren Konditionen. Das Geld würde den Griechen zur Verfügung gestellt, die dafür einen Zinsaufschlag bezahlen. Der Zinssatz würde sich schlagartig annähernd halbieren.

Bisher sind die Deutschen gegen eine solche Lösung, aber angesichts der Dramatik der Eurozone weichen feste Positionen auf.

Sollte es für private Investoren einen "haircut" (so wird das im Banker-Jargon genannt) geben, müsste das gesamte Schulden-Management der Eurozone EU-weit vereinheitlicht werden. Einzelne Länder würden dann nämlich keinen Investoren für künftige Schulden mehr finden.

WissenBrady-Bonds sind Schuldverschreibungen, welche hauptsächlich durch lateinamerikanische Schuldnerländer in den 1980er Jahren emittiert wurden. Ihr Name leitet sich vom ehemaligen US-Finanzminister Nicholas F. Brady ab. Brady wurde am 15. September 1988 der 68. Finanzminister der Vereinigten Staaten. 1989, im Anschluss an eine Reihe von Jahren, in denen viele Entwicklungsländer ihre internationalen Schulden nicht begleichen konnten, entwickelte er den sogenannten Brady-Plan, um den Entwicklungsländern zu helfen, diese Brady-Bonds international zu verkaufen. Die USA boten Sicherheiten, die Banken verzichteten dafür auf 30 bis 50 Prozent der Forderungen.