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Dem Iran geht das Wasser aus

Politik

Eine Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 50 Grad hat in der Provinz Chuzestan zu einem Wassermangel geführt. Neben dem Klimawandel ist daran auch die Politik schuld. Die Bevölkerung protestiert gegen die Staatsführung.


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Liegt es am globalen Klimawandel? Oder am Missmanagement der Regierung in Teheran? Oder ist das, was den Menschen in Chuzestan, einer Provinz im Südwesten des Irans, in den letzten Wochen passiert ist, bloß ein unabänderliches Schicksal, eine Laune der Natur?

Fest steht: Der zumindest früher fruchtbarsten Region des Landes, die am Persischen Golf an der Grenze zum Irak liegt, geht das Wasser aus. Gründe dafür gibt es viele - etwa den Umstand, dass Chuzestan in den vergangenen Wochen von einer beispiellosen Hitzewelle heimgesucht wurde. Die Temperaturen stiegen vielerorts auf bis zu 50 Grad, auch in der Nacht kam es zu keiner wirklichen Abkühlung. Selbst inmitten der Dunkelheit wurden noch 35 Grad gemessen. Die Folgen der hohen Temperaturen bei gleichzeitigem Regenmangel sind dramatisch: Die Früchte auf den Feldern verdorren, Wasserbüffel sterben, manche Flüsse führen kein Wasser mehr. Der rissig gewordene Boden zeigt die unerbittliche Dürre an.

Doch nicht nur die Natur, auch die Menschen lechzen nach Wasser. In Chuzestan mangelt es vielen mittlerweile daran. Als das Thermometer auf 50 Grad stieg, gab es in Ahwas, der Hauptstadt von Chuzestan, für Stunden kein Trinkwasser.

Aufgrund des Wassermangels in den Flüssen lieferten die Kraftwerke auch weniger Strom. Die Hitze steigerte außerdem den Stromverbrauch durch den vermehrten Einsatz von Klimaanlagen. Die Folge: Stromausfälle. Kein Wunder, dass es in den vergangenen Wochen in der Provinz immer wieder zu Protesten kam. In größeren Städten gingen Tausende Menschen auf die Straße. Für die iranische Führung könnte sich das zu einem Problem auswachsen: Vor nicht ganz zwei Jahren bereits hatten Proteste gegen höhere Benzinpreise das Regime in Bedrängnis gebracht, und auch diesmal solidarisierten sich Menschen im ganzen Iran mit den Demonstranten in Chuzestan. Parolen gegen die Regierung wurden gerufen, bis hin zu "Tod dem Diktator!", gemünzt auf Ayatollah Ali Khamenei, das geistliche Oberhaupt des Iran.

Die Staatsführung zeigte sich nervös: Sie schickte Delegationen nach Chuzestan, die sich ein Bild von der Lage machen und schnelle Lösungen finden sollten. Khamenei räumte ein, das Wasserproblem sei "nicht klein", der Unmut der Bevölkerung in der Provinz daher berechtigt.

Die Demonstrationen, die das Regime lange zu verschweigen suchte, wurden in staatlichen Medien als Manifestationen von Extremisten dargestellt. Eine den Revolutionsgarden nahestehende Nachrichtenagentur bezeichnete die Protestierenden als "Krawallmacher und Terroristen". Als Beweisstück veröffentlichte sie ein Video, in dem ein Demonstrant auf dem Rücksitz eines Motorrads mit einem Sturmgewehr in die Luft schoss.

Rohani schiebt Schuld auf USA

Bei Zusammenstößen der Regimekritiker mit den Sicherheitskräften in Chuzestan kamen auch Menschen ums Leben. Amnesty International bestätigte den Tod von mindestens acht Demonstranten oder Schaulustigen. Die Menschenrechtsorganisation prangerte die "unrechtmäßige Gewalt" der Sicherheitskräfte an. Diese hätten mit scharfer Munition und Schrotflinten die "meist friedlichen Proteste" zerschlagen.

Der Unmut über das brennende Wasserproblem wird sich im Iran aber wohl nicht auf Dauer niederprügeln lassen. Denn Wassermangel ist im Iran ein immer wieder auftauchendes Problem. In diesem Jahr kämpft nicht nur Chuzestan mit Wassermangel, auch Sistan sowie Belutschistan, zwei Provinzen im Südosten des Landes. Dort gab es bis zu 80 Prozent weniger Regenschauer als im langjährigen Durchschnitt gemessen wurden. Noch-Präsident Hassan Rohani wird vorgeworfen, nicht vorgesorgt zu haben: Die Wasserinfrastruktur des Iran ist veraltet. Rohani schiebt die Schuld auf die USA, deren Sanktionen ihm keinen Spielraum zu einer Modernisierung der veralteten Anlagen gelassen hätten.

Tatsächlich wäre es zu billig, die Wasserprobleme des Iran nur mit dem Klimawandel zu erklären. Auch der forcierte Anbau wasserintensiver Pflanzen wie der des Zuckerrohres, das Ableiten von Grundwasser aus abgelegenen Gebieten in die städtischen Zentren und schlichtes Missmanagement spielen eine Rolle. All das stört das ökologische Gleichgewicht. So wurde in Chuzestan der Karun, der wichtigste und wasserreichste Fluss der Region, der unter anderem für die Trinkwassergewinnung wichtig ist, mit mehreren Staumauern aufgestaut. Einen nicht geringen Teil des Wassers zweigt der Staat für Industrieprojekte weiter im Norden ab. Auch die ebenfalls unter Wasserknappheit leidende zentraliranische Provinz Isfahan wird beliefert.

Separatistische Tendenzen

Politisch ist das heikel: Denn in Chuzestan leben vorwiegend schiitische Araber. Sie fühlen sich als Minderheit von Teheran benachteiligt behandelt, es gibt Unabhängigkeitsbestrebungen und separatistische Gruppen. Auf die Provinz verzichten kann der Iran aber nicht. In Chuzestan liegen das größte Ölfeld des Landes und 60 Prozent der Erdgasreserven. (leg)