Trotz regelmäßiger Nahrungszufuhr kommt es zu einem Energiemangel.
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Wien. Das wohlverdiente Mittagsmahl ist eingenommen. Und dann, 30 Minuten später, überkommt einen die Müdigkeit. Die Arbeit fällt schwerer als zuvor. Dazu gesellen sich ein Schwere- und Völlegefühl. Früher war das nicht der Fall, aber etwa seit dem 30. bis 40. Lebensjahr tritt dieses Phänomen auffallend häufig in Erscheinung. Bei Kindern hingegen führt Nahrungsaufnahme zu einem immensen Energieschub, der erstaunlich lange anhalten kann. Angesichts dieses Phänomens macht sich Verwunderung breit.
Die Nerven rebellieren
Schuld daran ist die sich im Laufe des Lebens verändernde Möglichkeit des Körpers, den in den Speisen enthaltenen Zucker zu verarbeiten. Und dieser ist nicht nur in süßen Gerichten vorhanden, sondern auch in Produkten wie Milch, Reis, Kartoffeln, Paniertem, Fruchtsäften oder Energydrinks. Ebenso enthalten Konservierungs- und Aromastoffe beträchtliche Mengen an konzentriertem Zucker. Immerhin sind 95 bis 96 Prozent der im Supermarkt lagernden Nahrungsmittel damit ausgestattet.
Zwar ist Zucker unser wichtigster Energielieferant, weil er die Energie sofort zur Verfügung stellen kann. Mit jedem Lebensjahr - vorwiegend etwa ab dem 30. - mindert sich allerdings die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegenüber diesem Nahrungsmittel. "Weil unser Verdauungsapparat für die Verarbeitung dieses Nährstoffs mehr Energie aufwendet, als er aufnehmen kann, entsteht unterm Strich gesehen ein Energiemangel", erklärt Martin Riegler, Leiter des Instituts für chirurgische Funktionsdiagnostik im AKH Wien und ärztlicher Leiter des Reflux Medical Zentrums in Wien.
Kommt es im Körper zu einem Energiemangel, beginnen in erster Linie die Nerven, weil sie zu hundert Prozent vom Zucker abhängig sind, zu rebellieren. Unter diesem Stress setzen sie Botenstoffe frei, die zu Entzündungen, Schmerzen und Funktionsstörungen führen. Welche Nerven betroffen sind, hängt von der jeweiligen Konstitution ab.
Sind es die Nerven im Gehirn, die vom Energiemangel gestresst sind, dann kommt es zu Müdigkeit. Jene in den Gelenken können Rheumaschmerzen, jene in den Blutgefäßen Bluthochdruck und jene auf der Kopfhaut Migräne verursachen. Auch Sodbrennen ist eine Ursache von Energiemangelzuständen, wie der Experte erklärt.
Bei gesunden Kindern ist das System hingegen noch in Ordnung. Ein Energiemangel als Folgeerscheinung vom Konsum konzentrierter Zuckerbomben kann bei ihnen nicht auftreten. Die ersten Probleme im Zusammenhang mit Zucker zeigen sich - abgesehen von Karies im Kindesalter - aber spätestens in der Pubertät, wenn das süße Etwas die Akne erwachen lässt. "Macht man Kindern klar, dass Zucker nicht sinnvoll ist, erspart man sich später die Probleme", betont Riegler.
Krebs und Infektionen
Langfristig kann immer wiederkehrender Energiemangel zu chronischen Leiden wie Gelenkserkrankungen, Rheuma, Migräne oder Verdauungsproblemen führen. Bekannt ist auch, dass Zucker je nach genetischer Formatierung des Körpers die Entstehung von Krebserkrankungen begünstigt. Auch Infektionen werden genährt, weil einerseits Zucker das Immunsystem beeinträchtigt und andererseits dieser von Bakterien sofort verwendet wird.
Dabei geht es nicht nur um das in den vergangenen Jahren stark in Ungnade gefallene weiße Süßungsmittel, sondern grundsätzlich um den aus seiner natürlichen Hülle herausgelösten Zucker, wie Riegler skizziert.
So ist etwa im grünen Apfel Zucker mit Fasern, Wasser, Spurenelementen und Vitaminen vermengt. Wird er allerdings gepresst, lösen sich die Inhaltsstoffe aus ihrer natürlichen Hülle. Das ist der Grund, warum der grüne Apfel dem Körper nichts anhaben kann, der Fruchtsaft - auch wenn er praktisch ungesüßt bleibt - allerdings schon. Ein wesentlicher Anteil der Verdauung wird schon in der Verarbeitung vorweggenommen. In gleicher Weise tritt dieses Phänomen in vielen Speisen auf, etwa auch beim Kochen von Suppe.
Zucker bestimmt das Gemüt
Auf Apfelmus, Rindsbouillon oder gegartes Gemüse zu verzichten, wäre vom gesunden Menschen vermutlich zu viel verlangt. Aber "man kann schon sehr viel gewinnen, indem man Süßspeisen weglässt und keine Säfte trinkt", so Riegler. Der Mediziner weist auch darauf hin, dass ebenso Alkohol, Nikotin oder Cannabis für Energiemangelzustände im Körper sorgen. "Man darf ganz einfach nicht zu lange zuwarten, bis man eine Erkrankung nur mehr mit aufwendigen oder gar operativen Therapien in den Griff bekommt." Bei häufigem Sodbrennen etwa lässt sich mit einer entsprechenden Kostumstellung der Medikamentenkonsum stark reduzieren.
Und vom Stoffwechsel hängt übrigens auch die Gestimmtheit des Menschen ab. "Müssen sich die Gehirnzellen immer über Stoffwechselgewitter ärgern, treten Mangelzustände auf, die zu Gemütsverstimmungen führen." Die Betroffenen sind nicht nur müde, sondern auch grantig und depressiv. Es ist daher auch vom Zucker abhängig, auf welche Art und Weise wir Menschen die Welt wahrnehmen.