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Dem Krebs auf der Spur

Von Eva Stanzl

Wissen
Brustkrebs-Zelle in Vergrößerung: Die Heilungschancen bei Mammakarzinom sind gestiegen. Foto: corbis

Weniger Neuerkrankungen, geringere Sterblichkeit. | Von der tödlichen zur stabilen Krankheit. | Wien. Es wird besser, aber nur in kleinen Schritten: "Über Krebs wissen wir heute viel mehr als noch vor zehn Jahren. Aber besiegt haben wir ihn noch lange nicht", sagt Maria Sibilia, Leiterin des Instituts für Krebsforschung der Medizinuni Wien. Jährlich sehen sich in Österreich 19.000 Männer und 17.000 Frauen mit einer Krebsdiagnose konfrontiert.


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Bei 9000 Frauen und 11.000 Männern führt die Erkrankung zum Tod. Jedoch hat sich in den vergangenen Jahren die Fünf-Jahres-Überlebensrate der Betroffenen, (ab dann gelten sie als geheilt) um 50 Prozent erhöht. Das geht aus Daten bis 2008 hervor, die die Statistik Austria anlässlich des heutigen Welt-Krebstags veröffentlicht.

Die Zahl der Neuerkrankungsrate sank bei Männern und Frauen um 15 Prozent. Die Krebssterblichkeit ist in den vergangenen zehn Jahren bei Männern um 14 und bei Frauen um zehn Prozent gesunken. Am häufigsten sind bei Männern Prostata-, Lungen- und Darmkarzinom, bei Frauen Brust-, Darm- und Lungenkrebs.

Darm- und Brustkrebs können mit entsprechenden Untersuchungen frühzeitig entdeckt werden. Was die Heilungschancen stark erhöht, da Tumore operativ entfernt werden können, noch bevor sich Metastasen gebildet haben. "Der chirurgische Eingriff ist in vielen Fällen die sicherste Methode für eine komplette Heilung", betont Sibilia. Jedoch gebe es Krebsarten, die nicht entfernt werden können, ohne dass lebensnotwendige Funktionen des Körpers zerstört würden. Etwa Karzinome im Hals-Nacken-Bereich oder manche rektale Karzinome. "Hier hilft nur die Therapie", so die Krebsforscherin.

Ziel der Krebsforschung sei, solch gefährliche Krebsarten mit Medikamenten von tödlichen in stabile Krankheiten zu verwandeln, wie es bei Herzkrankheiten bereits möglich ist. Dabei gleicht die Arbeit der Forscher einer Spurensuche. Nicht nur verhalten sich unterschiedliche Tumore verschieden, sondern ein Tumor des gleichen Typus wirkt auch anders in jedem Menschen.

Jede Zelle enthält Gene, die für Eiweiße kodieren, welche wichtige Prozesse steuern. Je öfter eine Zelle sich teilt, desto effizienter kann sie ihre Aufgaben erledigen. Eine gesunde Zelle hört allerdings auf, sich zu teilen, wenn der Normalzustand wiederhergestellt ist - sprich eine Wunde sich schließt oder eine Krankheit besiegt ist. Äußere Faktoren wie Rauchen oder Umweltgifte können genetische Veränderungen hervorrufen, die Zellen unkontrolliert wuchern lassen. Dazu kommen Fehler bei der Zellteilung mit zunehmendem Alter sowie andere genetische Veränderungen.

Komplexe Mechanismen

"Zwischen fünf und 15 genetische Veränderungen sind nötig, damit sich eine normale Zelle in eine Krebszelle verwandelt", sagt Sibilia. Die Tumorzelle moduliert Nachbarzellen so, dass sie ihr nutzen - etwa wenn Immunzellen den Tumor nicht mehr als solchen erkennen. Derart komplexen Mechanismen sind die Forscher auf der Spur. Sibelia und ihr Team untersuchen die Rolle des EGF-Rezeptors - ein Protein, das in manchen Zellen die Zellteilung steuert und in anderen für das Überleben zuständig ist. In Tumorzellen steuert der EGF-Rezeptor beides. "Wichtig ist dass wir verstehen, wie der Rezeptor Signale weiterleitet, damit wir begreifen können, wie Tumore ihn dazu bringen zu mutieren. Gezieltere Therapien könnten daraus erfolgen", sagt die Wissenschafterin.

Derzeitige EGF-Inhibitoren funktionieren nur bedingt. Tumorzellen sind nämlich quasi in der Lage, für jedes Gift ein Gegengift zu entwickeln. Gegen Medikamente werden sie mit der Zeit resistent. Die Forschung arbeitet unermüdlich daran, diese Resistenzen zu entschlüsseln. "Aber wir finden immer neue Mechanismen, wie sie entstehen können."

Ein vielversprechender wenn auch kostenintensiver Ansatz sind Biomarker. Tumore - etwa Brustkrebs - produzieren Eiweiße, die gesunde Zellen nicht herstellen. Wird ein solches Eiweiß im Blut gefunden, können Medikamente ganz gezielt an diesen Stellen ansetzen. Immer wieder kritisieren Experten die Kosten und Effizienz der Krebs-Früherkennungs- und Therapiemaßnahmen. Wer sich jedoch die statistischen Fortschritte vor Augen führt, erkennt dass der Aufwand sich eindeutig lohnt.