)
Von Aleppo auf die Bühne der Josefstadt: der syrische Schauspieler Tamim Fattal.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In "Fremdenzimmer" wird ein junger syrischer Flüchtling unverhofft von einem Paar aufgenommen. Seine Ankunft wirkt wie ein Katalysator, bricht den Alltag von Herta und Gustl auf. Der frühpensionierte Briefträger und die Mindestpensionistin geben in Peter Turrinis jüngstem Stück ungeniert ausländerfeindliche Äußerungen und diffuse Ängste zum Besten. Intendant Herbert Föttinger bringt das Stück mit Erwin Steinhauer und Ulli Maier in den Hauptrollen am Donnerstag (25. Jänner) im Theater in der Josefstadt zur Uraufführung.
Die Rolle des syrischen Flüchtlings wird tatsächlich von einem syrischen Flüchtling verkörpert. Der "Wiener Zeitung" erzählte Tamim Fattal, wie es dazu kam.
"Wiener Zeitung": Wie kamen Sie zu Ihrem ersten Engagement in der Josefstadt?
Tamim Fattal: Als ich erfuhr, dass in der Josefstadt ein Schauspieler für die Rolle eines syrischen Flüchtlings gesucht wurde, hatte ich nur einen Gedanken: "Ich werde das sein!" Diese Rolle wollte ich unbedingt. Das Casting mit Herbert Föttinger war intensiv, aber offenbar habe ich es gut gemacht, sonst wäre ich wohl nicht hier. Es war seit jeher mein Herzenswunsch, Schauspieler zu werden. Als Jugendlicher habe ich bereits in Aleppo und in Beirut Theater gespielt.
Warum mussten Sie Ihre Heimat verlassen?
Ich war 18 und wurde zum Kriegsdienst eingezogen. Wer gezwungen wird, Menschen zu erschießen, nimmt, so denke ich, Schaden an seiner Seele. Da ich auf gar keinen Fall bei diesem Bürgerkrieg mitwirken wollte, sah ich keinen anderen Ausweg, als Syrien zu verlassen. Ich hatte nur eine Woche Zeit, um alles Nötige zu organisieren. Das Geld für die Flucht mussten wir uns ausborgen. Über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute kam ich dann im Dezember 2015 in Österreich an.
Welche Etappe war am schwersten zu bewältigen?
Das war die Grenzüberquerung von Syrien in die Türkei. Wir passierten die Grenze illegal in der Nacht. Unser Schlepper wählte einen beschwerlichen Gebirgsweg, ein herzkranker Mann mit seiner zweijährigen Tochter waren mit dabei. Ich habe seine kleine Tochter den ganzen Weg über in meinen Armen getragen. Als ich sie absetzte, sank ich vor Erschöpfung zusammen. Wie ich das geschafft habe, frage ich mich heute noch. Die gefährlichste und mit Abstand teuerste Passage war das Übersetzen via Schlauchboot von der Türkei nach Griechenland. Ich musste dafür fast 2000 Dollar hinlegen. Als ich griechischen Boden unter meinen Füßen spürte, dachte ich zum ersten Mal: Jetzt bist du dem Krieg entkommen.
Wie kamen Sie dann nach Wien?
Es war Zufall. Während der ganzen Zeit wusste ich nicht, wohin ich eigentlich sollte. Ich habe hier viel Unterstützung erfahren, neue Freunde getroffen, Deutsch gelernt. Ich habe das Gefühl, eine zweite Chance bekommen zu haben. Hier kann ich der werden, der ich sein will. Mein Traum wäre es, von einer Schauspielschule aufgenommen zu werden. Nie werde ich vergessen, woher ich komme, was ich hinter mir habe. Immer noch kann ich mich an kleinen Dingen erfreuen, die für die meisten Menschen hier selbstverständlich sind: ein weiches Bett, warmes Fließwasser, funktionierende Elektrizität. Im Krieg entbehrt man das alles.
Welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass man in mir nicht in erster Linie den Flüchtling sieht, den Fremden, sondern den Menschen, der ich bin.
Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.