)
Ein Lockdown war vor einem Monat "nicht vorstellbar", am Samstag werden wohl weitere Verschärfungen präsentiert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vor wenigen Wochen noch war die Bundesregierung zuversichtlich, dass dem Land ein zweiter Lockdown erspart bleiben wird. Als "überhaupt nicht vorstellbar" bezeichnete Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am 11. Oktober eine solche Maßnahme. Damals lag die Zahl der Neuinfektionen bei etwa 1.000 pro Tag. Rund ein Monat später hat sich diese Zahl fast verzehnfacht, und die Fallzahlen sinken nicht, obwohl am 3. November diverse Kontaktbeschränkungen in Kraft getreten sind.
Dass solche Maßnahmen wirksam sind, hat nicht nur der März gezeigt, auch im Herbst haben jene Länder, die bereits Lockdowns verordnet haben, die Trendwende geschafft. Doch es kann dauern, in Tschechien waren es konkret zwei Wochen. Dort hatten zuerst Schulen und der Freizeitbereich gesperrt, einige Tage später der Handel. Auch die Bundesregierung hat 12 bis 14 Tage angegeben, bis sich der Teil-Lockdown in den Zahlen niederschlagen sollte.
Am Freitag deutete jedoch alles daraufhin, dass die Regierung nicht die vollen zwei Wochen abwarten wird, um die Wirksamkeit zu überprüfen. Für Samstag wurde eine Pressekonferenz avisiert. Diverse Medien berichteten, dass ab kommender Woche auch jene Bereiche von Schließungen betroffen sein werden, die im Gegensatz zum März-Lockdown offen geblieben waren, also Schulen, Kindergärten, persönliche Dienstleistungen (Friseure) und der Handel. Möglich ist, dass auch die Schulen auf Homelearning umgestellt werden und in den Kindergärten nur noch Notbetreuung vorhanden sein wird. Gelten wird dies alles bis kurz vor dem Marienfeiertag am 8. Dezember. Verkündet werden die Maßnahmen Samstagnachmittag um 16.30 Uhr vom üblichen Quartett um Kanzler und Gesundheitsminister.
Meldesystem läuft immer noch nicht rund
Aus den Bundesländern hieß es zur "Wiener Zeitung", dass es keine Information durch die Bundesregierung gab, nur auf "bilateraler Ebene", also etwa direkt zwischen Kanzler und einzelnen Landeshauptleuten. Diese hatten sich im Vorfeld mit Wünschen an die Regierung zurückgehalten, nur die SPÖ-Landeshauptleute hatten allesamt für ein Offenhalten von Schulen und Kindergärten plädiert. Aus Wien hieß es, dass aktuell 53 Kindergartenkindern mit dem Coronavirus infiziert seien - von knapp 100.000 Kindern.
Am Freitag gab es nach wie vor Datenprobleme bei der Einmeldung ins Epidemiologische Meldesystem (EMS). Es kam zu nachträglichen Korrekturen. Eine epidemiologische Überwachung in Echtzeit ist derzeit kaum möglich. Das Innenministerium meldete einen Tageshöchstwert von 9.586 neuen Infizierten, wie viele Nachmeldungen darunter sind, war aber unklar.
Die Ages, die das Dashboard betreibt, berichtete am Freitag über eine ähnlich hohe Fallzahl. In diesen Daten sind nur Fälle aus dem EMS enthalten, sie werden nachträglich den jeweiligen Befundtagen zugeordnet. Dadurch ergibt sich ein epidemiologisch präziseres Bild, jedoch mit Verzögerung. Für den Vortag, also den Donnerstag, meldete die Gesundheitsagentur Ages 7.591 neue Infektionen, zusätzlich wurden 1.366 Meldungen auf vorangegangene Tage aufgeteilt, allein fast 700 kamen für Mittwoch hinzu. Insgesamt trug die Ages 8.957 Fälle ins Dashboard ein.
Leichte Übersterblichkeit bei über 65-Jährigen
Die Entwicklung der Zahlen, sowohl der Infektionen wie auch der Hospitalisierungen, deckt sich durchaus weitgehend mit den Prognosen, die nach dem Teil-Lockdown erstellt wurden. Der Belag der Intensivstationen wurde sogar ein wenig unterschätzt, die mittlere Erwartung für den Samstag waren damals 700 Patienten. Am Freitag meldete das Gesundheitsministerium 567 Personen auf einer Intensivstation, 21 mehr als tags zuvor. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Situation auf den Intensivstationen sehr prekär ist, in Vorarlberg werden die Betten sehr knapp.
Die Zunahme der Infektionen bedeutet auch wieder mehr Tote, wobei die Fallsterblichkeit in Österreich bisher nach wie vor gering bleibt und mit 0,9 Prozent auch unter jener von Deutschland, Dänemark und Finnland liegt, die eine geringere Inzidenz an Infektionen aufweisen. Durchschnittlich sterben derzeit laut Ages rund 35 Personen in Österreich täglich an und mit Covid-19.
Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.
Die Statistik Austria hat für die Kalenderwochen 43 und 44 eine leichte Übersterblichkeit bei über 65-Jährigen registriert, jedoch nur bei dieser Gruppe. Besonders die Woche ab 26. Oktober lag mit 1.640 Sterbefällen klar über den Vorjahren. In jener Woche wurden offiziell aber nur 169 Covid-Tote verzeichnet. Ob es sich um nicht registrierte Corona-Fälle handelt, kann erst retrospektiv nach einer Analyse der genauen Todesursachen festgestellt werden.
Es gibt aber andere denkbare Ursachen. Am Freitag kam dazu eine Meldung des Verbands des Arzneimittel-Vollgroßhandels (Phago), wonach sich chronisch Erkrankte seit dem Teil-Lockdown um 29 Prozent weniger Präparate gegen koronare Herzerkrankungen besorgt hätten. Auch bei Antidiabetika und Psychopharmaka gab es einen deutlichen Rückgang. Es zeigt: Das Coronavirus ist eine umfassende Gesundheitskrise, nicht nur eine Viruskrise. (sir)