)
Unser Alltag muss sich weiter verändern, wenn wir (auch wirtschaftlich) überleben wollen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der Corona-Lockdown wurde mit einem Ressourcen-Problem begründet: Falls zu viele Personen gleichzeitig an Covid-19 schwer erkranken würden, gäbe es in Österreich nicht genügend medizinische Infrastruktur. Um einen Systemkollaps und damit zu viele Tote zu verhindern, wurde das öffentliche Leben in Bereichen völlig untersagt beziehungsweise auf ein Mindestmaß reduziert. Dabei wurden neue ressourcensparende Vorgangsweisen entdeckt: Überfüllte Wartezimmer bei Ärzten wurden dank Telemedizin via Telefon etc. erfolgreich abgeschafft, Homeoffice und "Distance Learning" entlasteten beengte Raumverhältnisse etwa in Schulen und Verkehrsmitteln. Notgedrungen war es vielen Menschen relativ einfach möglich, den notwendigen Abstand zu halten. Die Ressourcen des Gesundheitssystems waren "nur" in Bezug auf Schutzkleidung, Desinfektionsmittel und Covid-19-Tests überlastet.
Erstaunlicherweise sind Ressourcen-Engpässe jetzt kein Thema mehr: Kinderbetreuungsstätten und Schulen, die schon vor Corona über zu wenig Raum, Personal und Hygieneinfrastruktur klagten, werden ab sofort nach Durchschnittsberechnungen in Durchschnittsräumen Covid-19-präventiv arbeiten . . . können?
In ÖBB-Zügen, deren Hauptkunden (Pendler) schon vor Corona über überfüllte Züge klagten, werden die Fahrgäste nun in Eigenverantwortung den Platz eines Babyelefanten zwischen sich frei lassen . . . können?
Unternehmer, die gerade um die Existenz ihrer Firma und damit auch um die Einkommensquelle ihrer Mitarbeiter kämpfen, erleben ein Déjà-vu hinsichtlich undurchführbarer Ankündigungen: Der Tatbestand "Insolvenzverschleppung" ist trotz der "Koste es, was es wolle"-Ansage der Regierung Realität.
Vermutlich verhält es sich mit dem hohen Ansteckungsrisiko in zu kleinen Räumen für Personen ohne ausreichende Schutzkleidung und ohne regelmäßige Testungen ebenso.
Realistischerweise brauchen wir wegen Covid-19 neue Ansätze nicht nur für einen weiteren Monat, sondern für zumindest ein weiteres Jahr: Unser Alltag muss sich weiter verändern, wenn wir (auch wirtschaftlich) überleben wollen. Deshalb sollten wir jetzt die Erfahrungen der vergangenen Wochen, wie etwa Homeoffice für ganze Organisationen, strukturell evaluieren und adaptieren. Im Schulsystem könnte dies mehr Eigenverantwortung für Jugendliche bedeuten: Wollen über 14-Jährige, positive Mitarbeit während des Lockdowns vorausgesetzt, lieber an die Schule kommen oder weiterhin daheim lernen?
Umfragen zeigen, dass vor allem in berufsbildenden Schulformen 80 Prozent der Schüler und Lehrer trotz aller Herausforderungen damit gute Erfahrungen gemacht haben. Wozu auch diese in einen ressourcenbelastenden neuerlichen Umorganisationsstress für einen Monat schicken? Ein Drittel weniger Schüler im Präsenzunterricht gäbe auch mehr Ressourcen in Schulgebäuden und öffentlichen Verkehrsmitteln frei.
Dies ist eine Zeit des Neudenkens und Anpassens unter mehrdimensionalen Gesichtspunkten. In gewohntes Fahrwasser zurückzurudern, ist nicht hilfreich.