Jeden Tag ein neuer Preisrekord. | Versorgungs-Engpässe befürchtet. | Energie-Agentur revidiert Prognose. | Berlin. Wegen rückläufiger Ölfördermengen drohen einer Studie zufolge in den kommenden Jahrzehnten weltweit Versorgungsengpässe. Die Ölförderung habe bereits 2006 ihren Höhepunkt überschritten, heißt es in einer am Mittwoch in Berlin von der Energy Watch Group vorgestellten Studie. Künftig werde die Ölförderung um einige Prozentpunkte pro Jahr zurückgehen, "bis 2020 und erst recht bis 2030 ist ein dramatischer Rückgang der weltweiten Ölförderung zu erwarten".
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Dadurch entstehe eine Versorgungslücke, die sich in diesem Zeitrahmen kaum durch andere Energiequellen schließen lasse. Der Ölpreis knackte am Mittwoch erstmals die Rekordmarke von 130 Dollar (82,5 Euro) und stieg Donnerstag auf über 135 Dollar. Dieser Preis sei "nicht das Ende einer Entwicklung, sondern eher der Anfang vom Ende", stellte der Energiemarkt-Analytiker der Deutschen Bank, Josef Auer, bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Energy Watch Group fest.
Die rückläufigen Fördermengen seien auch der Grund für die Preisexplosion beim Öl, erläuterte Werner Zittel, Mit-Autor der Studie. Die Hoffnung, dass der Preis durch Spekulationen angefeuert werde und dass diese Spekulationsblase eines Tages platze, sei vergebens. Zittel geht sogar davon aus, dass die weltweite Ölförderung bis 2030 bis auf die Hälfte sinken könnte. Wegen des wachsenden Verbrauchs in den erdölexportierenden Ländern selbst nehme die am Weltmarkt verfügbare Ölmenge noch schneller ab als die Förderung.
Der Studie zufolge werden die verbleibenden Weltölreserven nach Angaben der Industriedatenbank auf 1.255 Giga-Barrel, also auf 1.255 Mrd. Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) geschätzt. Die Energy Watch Group setzt die Schätzung deutlich niedriger an: Sie geht von 854 Giga-Barrel aus. Die Gruppe wurde nach eigenen Angaben auf Initiative internationaler Parlamentarier gegründet, unabhängige Wissenschaftler analysieren für sie die Verfügbarkeit fossiler und erneuerbarer Energien.
Bei einem Rückgang der Förderung werde der Ölpreis jährlich zwischen 30 und 50 Prozent steigen, erklärte Aribert Peters, der Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher. "Das wird die sozial Schwachen besonders hart treffen", warnte Peters. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag, Hans-Josef Fell, kritisierte, die Internationale Energieagentur und die Mineralölkonzerne hätten zu lange die "irreführende Botschaft" verbreitet, dass es langfristig genügend Öl gebe, die Preise niedrig blieben und deshalb keine Alternativen nötig seien: "Das hat sich als fataler Irrtum erwiesen." Wer jetzt niedrigere Energiesteuern oder die Erhöhung der Pendlerpauschale wolle, rufe zu "Subventionen in Brandbeschleuniger auf, da hier offensichtlich der Brand mit Benzin gelöscht werden soll". Gefragt sei vielmehr der Umstieg auf erneuerbare Energien.
Der Preis für ein Barrel Öl ist in Asien erstmals über 135 Dollar geklettert. Im morgendlichen Handel am Donnerstag wurde das Fass Light Sweet Crude zeitweilig mit 135,04 Dollar notiert, bevor es wieder auf 134,87 Dollar zurückfiel. In New York hatte sich das Barrel zur Schlussnotierung am Mittwoch (Ortszeit) auf 133,19 Dollar eingependelt, nachdem es dort auf mehr als 134 Dollar angestiegen war.
Experte hofft auf technischen Fortschritt
Der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), Klaus Picard, stellte sich am Mittwoch prompt mit einem Dementi ein und hat die Befürchtungen über ein bereits erfolgtes Produktionsmaximum bei Erdöl ("Peak-Oil") zurückgewiesen. Die wirtschaftlich förderbaren Ölreserven seien so hoch wie noch nie. "Berechnungen zum nahenden Ende der Ölreserven gibt es seit Jahrzehnten", sagte Picard in Hamburg. "Wären sie richtig gewesen, wäre uns das Öl längst ausgegangen."
Die häufig statische Betrachtung der Endzeit-Szenarien lasse außer Acht, dass der technologische Fortschritt die Reichweite der Ölreserven um viele Jahrzehnte verlängert werde. Mit verbesserter Technik würden neue Felder entdeckt, vorhandene Felder effektiver ausgefördert und schwer zugängliche Vorkommen erschlossen.
Energieagentur rechnet mit geringerer ÖlproduktionWashington. Die Internationale Energieagentur (IEA) wird ihre Vorhersage für die Ölproduktion bis 2030 einem Zeitungsbericht zufolge absenken. Bisher rechnen die Experten der IEA damit, dass die Produktion von derzeit 87 Mio. Barrel (je 159 Liter) pro Tag bis 2030 auf 116 Mio. Barrel pro Tag steigen wird.
In ihrer neuen Prognose, die aber erst im November veröffentlicht werden solle, senke die IEA diese Schätzung auf nur noch rund 100 Mio. Barrel täglich, berichtete das "Wall Street Journal" (WSJ) am Donnerstag. Grund seien nach Einschätzung der IEA fehlende Investitionen in die Ölförderung.
Der Preis für Rohöl steigt seit Monaten unaufhörlich. Grund sind die steigende Nachfrage aus Schwellenländern wie China und Indien und die Sorge vor Engpässen. Der schwache Dollar und Spekulanten tragen nach Einschätzung von Analysten zum Preisauftrieb bei. Die IEA vertritt die Interessen Erdöl nachfragender Länder. Zu ihren 26 Mitgliedern gehören fast alle Staaten in Europa sowie Australien, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland und die USA. (APA)
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