Historiker Höbelt: Drittes Lager zu klein, um als Partei zu überleben. | EU-Mandatar Mölzer: "Strukturell regierungsunfähig". | Wien. Das dritte Lager erfreut sich dieser Tage wieder einmal besonderer Aufmerksamkeit. So lud am Montag Abend das BZÖ-nahe Internationale Institut für liberale Politik ins noble Wiener Ring-Hotel Bristol, um der Frage nachzugehen, ob es denn das dritte Lager überhaupt noch gibt.
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Zyniker könnten nun die Affäre um Jugend-Fotos von FPÖ-Chef Strache als Beweis für die Existenz dieser dritten großen Polit-Strömung anführen. Immerhin scheint viel dafür zu sprechen, dass die Hintermänner aus den eigenen Reihen stammen. Ganz so einfach wollten es sich die Diskutanten aber dann doch nicht machen.
Zumindest der Historiker Lothar Höbelt wollte dem dritten Lager noch keinen Totenschein ausstellen: "Es gibt dieses Lager noch, nur kann man als Partei davon auf Dauer nicht überleben." Angesichts der Erosion aller Lager treffe dies aber auch auf SPÖ und ÖVP zu.
Einen optimistischeren Ausblick bot Meinungsforscher Andreas Kirschhofer (Imas) den - großteils hoch betagten - Zuhörern: Ihm zufolge liegen FPÖ und BZÖ bei der theoretischen Wählbarkeit zusammen bei jenen 27 Prozent der Stimmen, die das freiheitliche Lager am Höhepunkt seines Aufstiegs 1999 erreichen konnte. Allerdings: Themenführer seien die beiden Parteien lediglich beim Kampf gegen Ausländer. Sowohl bei politischer Sauberkeit als auch bei "Law&Order" hätten sie Glaubwürdigkeit verloren.
http://www.wienerzeitung.at/Images/2007/1/31/948_377_1093_310104grafikn.png Quasi als Überleitung zur Podiumsdiskussion rief Erich Reiter als Gastgeber in Erinnerung, dass es sich bei der FPÖ seit jeher um eine Partei der Spaltungen und Abspaltungen gehandelt habe: Friedrich Peter, Norbert Steger, Alexander Götz, Jörg Haider, Susanne Riess-Passer - sie alle seien entweder ausgeschlossen worden oder von selbst ausgetreten. Hinzu komme die Abspaltung des Liberalen Forums 1993 sowie jene des BZÖ 2005.
Bei der Diskussion war mit Friedhelm Frischenschlager ein LIF-Mitbegründer als erster am Wort. Für den Ex-Verteidigungsminister ist das Lager-Denken verantwortlich, dass sich Österreich nicht in Richtung mehr Liberalität öffnen konnte. Der nationale Kern der FPÖ habe die Entstehung einer liberalen Partei stets unterbunden.
Für Helene Partik-Pablé, einst FPÖ-Justizsprecherin und nun beim BZÖ, hat der Lager-Begriff ausgedient. Schließlich habe erst die Erosion der alten Lager den Aufstieg Haiders ermöglicht. Für sie setzen weder FPÖ noch BZÖ die Tradition des dritten Lagers fort, da sich die Blauen "leider zu einer rechts-außen Partei" entwickelt hätten - "und das BZÖ muss sich erst noch finden".
Zum Schluss war die Reihe an Andreas Mölzer. Für den blauen EU-Mandatar ist das dritte Lager im 20. Jahrhundert gescheitert. Verantwortlich dafür macht er die - bereits 1848 angelegte - Ambivalenz: Das liberal-nationale Lager sei stets revolutionär und staatstragend zugleich gewesen. Hierin liege auch die "hohe Neigung zur Zellteilung". Zudem habe sich das dritte Lager in zwei Versuchen als "strukturell regierungsunfähig erwiesen".
Die Gegenwart schaut für Mölzer wie folgt aus: "Den nationalen Kern gibt es, aber er ist zu klein für die Partei". Daneben habe sich ein "rechts-opportunistischer und eine rechtspopulistischer Teil in der FPÖ" etabliert.
Und wie sich die einen mit den anderen weiter vertragen, wird wohl der Fortgang der Foto-Affäre um Strache weisen.