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Dem Wasser auf den Grund gegangen

Von Roland Knauer

Wissen
Wenn keine Cyanobakterien auftreten, bietet die Ostsee heuer gute Badewasserqualitäten.
© © honorarpflichtig

Phosphor macht den Seen zu schaffen. | Mitteleuropäische Gewässer stehen gut da.


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Berlin. „Ich bin in diesem Jahr noch gar nicht im Stechlin gewesen”, meint Peter Casper nachdenklich. Dabei gilt dieser See vor seinem Labor wegen der hervorragenden Wasserqualität in Brandenburg nicht nur als beliebter Badesee, sondern gehört auch zu seinem Forschungsgebiet. Der Mikrobiologe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersucht die Mikroorganismen und Nährstoffe in Seen Nordostdeutschlands. Beides aber hat viel mit der Gewässergüte von Badeseen zu tun. Und der Stechlin rangiert in der Spitzengruppe mitteleuropäischer Seen.

Wenn Behörden im Rahmen der EU die Gewässergüte solcher Badeseen, Flüsse und Meeresküsten bestimmen, messen sie etwa, wie trüb das Wasser ist. Diese Trübung hängt häufig von Mikroorganismen und Nährstoffen ab. So brauchen Bakterien und Algen bestimmte Nährstoffe, von denen Phosphor früher in vielen Gewässern Mangelware war.

Das hat sich geändert, seit der Mensch aktiv wurde. So enthalten Fäkalien relativ viel Phosphor, Bauern düngen ihre Äcker, Waschmittel enthielten früher einige Phosphorverbindungen, und auch die Industrie setzt solche Substanzen häufig ein. Im Abwasser oder mit dem Regen werden diese in die Gewässer geschwemmt.

Dort beginnt dann eine Art Jo-Jo-Spiel, so Casper: Wenn am Ende des Winters das Eis auf den Seen schmilzt, sind relativ viele Nährstoffe im dann recht klaren Wasser, aber nur wenige Mikroorganismen. Gibt es viele Phosphorverbindungen, vermehren sich Algen in der Frühlingssonne rasch, und das Wasser trübt sich. Bald vermehren sich Kleinkrebse, fressen die Algen kahl und der See wird wieder klar. Jetzt hungern Heerscharen von Minikrebsen, viele von ihnen sinken tot zum Grund und nehmen dabei die Phosphorverbindungen in ihrem Organismus mit in die Tiefe. In den oberen Wasserschichten wachsen die Algen wieder weiter, bald vermehren sich auch die Krebschen wieder und das Jo-Jo-Spiel beginnt von Neuem.

Das Ganze geht so lange weiter, bis Phosphorverbindungen knapp werden, weil viele tote Organismen diese Substanzen am Grund abgelagert haben. Meist passiert das aber nicht dauerhaft, weil Mikroorganismen die toten Zellen zersetzen. Dabei verbrauchen sie den Sauerstoff in der Tiefe, der von oben nur sehr langsam nachkommt. Ohne Sauerstoff ändert sich aber die Chemie in den Sedimenten, Phosphor gelangt wieder ins Wasser, steht als Nährstoff wieder zur Verfügung, und der Kreislauf startet erneut.

Unterbrechen lässt sich der Zyklus nur, wenn etwa die Zufuhr von Phosphorverbindungen unterbrochen wird. Weil die Industrie in weiten Bereichen zusammenbrach und die Landwirtschaft sich änderte, geschah das nach der Wende im Nordosten Deutschlands teils ungeplant. Obendrein entstanden Kläranlagen und Ringleitungen um viele Seen, in die vorher das Abwasser floss. „Etliche Gemeinden haben dafür viel Geld ausgegeben, der Erfolg ließ aber auf sich warten”, erklärt Casper. Denn jetzt strömten zwar weniger Phosphorverbindungen in die Seen, der bereits vorhandene Phosphor aber kreiste weiter. Schlechter wurde die Badewasserqualität vielerorts nicht mehr, sie besserte sich aber auch nicht.

Casper und seine Kollegen am IGB haben daher an den Feldberger Seen an der Grenze zwischen Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern untersucht, wie sich Phosphorverbindungen dauerhaft festlegen lassen. Sie geben dazu bestimmte Eisen- oder Aluminiumverbindungen in das Gewässer, die Phosphor so fest binden, dass die Substanz aus dem Seegrund auch dann nicht mehr freigesetzt wird, wenn der Sauerstoff verbraucht ist.

Schnelle Wirkung, aber teuer

Da von oben laufend Material absinkt, verschwinden diese Verbindungen mitsamt dem Phosphor bald in Tiefen, in denen sie nicht mehr erreichbar sind. „Die Methode wirkt schnell, ist aber relativ teuer”, erklärt Casper. Nach den teuren Kläranlagen aber sind viele Gemeindekassen leer, und die rasche Klärung kommt vielerorts nicht in Frage.

Trotzdem haben die meisten Binnengewässer inzwischen wieder ausreichende Badequalität, auch wenn sie die Spitzenwerte des Stechlin nicht erreichen. An den Ufern dieses Sees wächst nämlich überall Wald, Siedlungen sind Mangelware, Landwirtschaft und Industrie gibt es auch nicht. Daher kam kaum Phosphor in den See, und das Wasser ist so klar, dass man im Durchschnitt sechs Meter tief schauen kann.

Auch an der Ostsee ist die Badewasserqualität fast überall sehr gut, berichtet der Mikrobiologe Günter Jost vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde. Zwar hat dieses Binnenmeer eine ähnliche Phosphor-Problematik wie viele Seen. Die Ostsee ist aber erheblich größer. So verteilen sich die Verbindungen wesentlich besser.

Gefahr von „Blaualgen”

Liegt aber im Sommer ein Schönwetterhoch über der Ostsee, steigen nicht nur die Badefreuden, sondern lässt oft auch der Wind nach. Das sind dann ideale Bedingungen für Cyanobakterien - „Blaualgen” genannt. Auch diese Mikroorganismen benötigen Phosphor, der mit Abwässern ins Meer geschwemmt wurde. Bei ruhigem Hochdruckwetter steigen sie an die Oberfläche und bilden dichte Teppiche im Wasser. Frischt der Wind auf, können die Blaualgen leicht an eine Küste getrieben werden.

Angenehm ist das Schwimmen in einer solchen Cyanobakterien-Brühe nicht, und manchmal produzieren solche Algenblüten auch Giftstoffe. Die werden einem Schwimmer zwar nur gefährlich, wenn er größere Mengen Algenwasser schluckt. Aus Sicherheitsgründen sperren die Behörden dann aber trotzdem die Strände.

Ob solche Wetterlagen überhaupt auftreten und wohin die Winde die Algen treiben, wissen die Meteorologen meist erst eine halbe Woche vor Beginn eines Dauerhochs. Betroffen sind aber meist nur wenige Strände. Den Badefreuden in mitteleuropäischen Gewässern steht also auch in diesen Sommerferien wenig entgegen.