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Demografische Entwicklung nicht länger verdrängen

Von Ulrike Famira-Mühlberger

Gastkommentare
Ulrike Famira-Mühlberger ist stellvertretende Leiterin des Wirtschaftsforschungsinstituts.

Österreich muss den Fokus auch auf Herausforderungen abseits der Pandemie- und Parteipolitik legen.


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Die COVID-19-Pandemie, aber auch die innenpolitischen Turbulenzen der letzten Monate, haben viele zentrale Zukunftsthemen in den Hintergrund gerückt. Während der Kampf gegen den Klimawandel dank europäischer - und ja, auch österreichischer - Initiativen weiterhin auf der politischen Agenda stand, wurden andere Baustellen weitgehend von der Krise zugeschüttet.

Die Bildungspolitik wurde trotz Corona-Backlash und unzufriedenstellenden internationalen Vergleichen keiner grundlegenden Reform unterzogen. Initiativen, um eine dringend notwendige Gleichstellungpolitik zu forcieren, sind rar. In der Pflegepolitik gilt nach wie vor: "Augen zu und hoffen, dass nichts passiert."

Diese politischen Versäumnisse werden sich rächen, denn die demografische Entwicklung ist absehbar und deren Effekte benötigen dringend politische Gestaltung. Warum?

Die Generation der Babyboomer aus den 1960er Jahren verändert nicht nur die betrieblichen Altersstrukturen, sondern auch die Altersstruktur der Arbeitslosen. Wenn die Babyboomer (bald) ins pensionsberechtigte Alter kommen, werden die öffentlichen Aufwendungen für Pensionen steigen, wie die Zahlen des Ageing Report der Europäischen Kommission klar aufzeigen. Einige Jahre später wiederum - jetzt sind wir in den Jahren nach 2035 - wird diese Generation ins pflegebedürftige Alter kommen.

Trotz aller Versuche, die Pflege daheim und die mobile Pflege zu stärken, wird es zu einem drastischen Anstieg der Nachfrage nach Pflegeheimplätzen und nach Pflegepersonal kommen. All das sind Entwicklungen, die sich klar abzeichnen und unter der Kategorie "no brainer" laufen. Dennoch scheint bei vielen politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern diesbezüglich noch eine beängstigende "Ruhe" zu herrschen.

Was ist zu tun? Hier ein paar Beispiele:

1) Mehr Fokus auf alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze, hier benötigt es vor allem eine Einbindung der Unternehmen.

2) Ein arbeitsmarktpolitischer Fokus auf die Reintegrationschancen von Älteren, vermutlich auch jenseits der üblichen Maßnahmen wie Lohn- und Lohnnebenkostenunterstützung.

3) Stärkung von Anreizen, dass jene Personen, die gesundheitlich länger in Beschäftigung bleiben können, dies auch tun.

4) Sozialpolitische Funktionen der Pensionsversicherung reduzieren und dort ansiedeln, wo sie hingehört: in die Sozialpolitik.

5) Breite Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs und eine effektive Planung des Angebots an Pflegedienstleistungen unter Einbindung der Gemeinden.

6) Eine Bildungsreform, die es allen Kindern später ermöglicht, an der Produktivitätssteigerung, die die Effekte der demografischen Entwicklung verlangen wird, mitzuwirken.

7) Effektive Maßnahmen, die zu mehr Gleichberechtigung von Frauen führt und die Bedingungen ihrer Arbeitsmarktbeteiligung verbessern. Österreich muss den Fokus nun auch auf Herausforderungen abseits der Pandemie- und Parteipolitik legen. Zu tun gibt es eine ganze Menge.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.