Anfang November stehen in den USA Parlamentswahlen an - in Wirklichkeit geht es aber um das politische Schicksal von Barack Obama. Noch vor kurzem sagten ihm Umfragen eine krachende Niederlage voraus. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer.
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US-Präsident Obama macht zur Zeit wieder das, was er früher mal am besten konnte - Wahlkampf. Wann immer es das Amt zulässt, reißt er sich los. Mal jettet er quer über den Kontinent, um in New Mexico in den Garten einer Mittel-Klasse-Familie einzufallen. Ein paar Tage später taucht er im Bundesstaat Virginia auf, um 40 Leute in einem Gemeindezentrum anzufeuern. Meist tritt er hemdsärmelig auf. Der mächtigste Mann der Welt, so soll die Botschaft lauten, ist sich für nichts zu schade. Barack Obama kämpft.
Was Wahlkämpfer Obama den Leuten zu sagen hat, klingt nicht gerade nach Siegeszuversicht. "Die Leute sind derzeit frustriert", meinte der US-Präsident unlängst bei einer Stippvisite in Richmond. "Die ganze gute Stimmung, mit der wir in den Wahlkampf gegangen sind, ist verflogen", bekennt Obama mit überraschender Offenheit. Der Präsident redet von den "harten Zeiten", der schlechten Wirtschaft und mangelnden Jobs. "Aber wir machen einige Fortschritte", sagt er dann - Siegertypen sprechen anders.
Kein Zweifel: Der Mann im Weißen Haus hat seine bisher schwerste Herausforderung zu bestehen. Vor zwei Jahren war er der strahlende junge Kandidat, der die Welt verändern wollte. Heute steht der Amtsinhaber vor der Aufgabe, den Amerikanern zu erklären, warum vieles anders gelaufen ist. Aufgeschreckt durch miserable Umfrageergebnisse und die Angst vieler demokratischer Abgeordneter und Senatoren um ihren Sitz im Kongress stürzt sich Obama in die Aufholjagd. Der Wind bläst ihm ins Gesicht.
Lobby-Gruppen mischen kräftig mit
Dann ist da die Sache mit dem Geld: Wie US-Medien enthüllen, greifen die ohnehin mächtigen Lobby-Gruppen mehr als je zuvor in den Wahlkampf ein. Ganz überwiegend zugunsten der oppositionellen Republikaner. Nach einer Studie der "Washington Post" schießen verschiedenste Lobby-Gruppierungen rund 80 Millionen Dollar (58,4 Millionen Euro) in den Wahlkampf - das ist sage und schreibe fünfmal mehr als beim Urnengang 2006.
Besonderer Ärger für Obama: Es fließt sieben bis acht Mal mehr Geld in die Kassen der Republikaner als in Schatullen der Demokraten. Experten wie Anthony Corrado vom Brookings-Institut betrachten die "organisierten Gruppen" als eine Macht hinter den Kulissen, die möglicherweise wahlentscheidend ist. Sie hätten die Chance, "die Mehrheit im Kongress zu verändern". Bei rund der Hälfte der Gelder sei zudem unklar, aus welchen Quellen sie stammten.
"Big Business", die Seilschaften aus Industrie und Finanz, hatten via Wahlkampfspenden immer schon ein Wörtchen mitzureden in den USA. Doch diesmal dürfte der Einfluss nochmals erheblich zunehmen. Grund ist ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, das bisher bestehende Beschränkungen aufhob.
Doch es gibt Hoffnung, wenn auch vage, dass Obama ein echtes Desaster vielleicht noch abwenden kann. Zwar sagen alle Umfragen klare Zugewinne der Republikaner voraus. Der Umfrage zufolge wollen 49 Prozent am 2. November republikanisch wählen. Dagegen planen nur 43 Prozent, für die demokratischen Kandidaten zu stimmen.
Doch die genaue Wahl-Mathematik ist kompliziert, Prognosen sind hochriskant. Im Repräsentantenhaus geht es um alle Sitze, im Senat stehen gut ein Drittel der 100 Plätze zur Abstimmung. Noch vor ein paar Wochen hatten flinke Auguren die Demokraten schon so gut wie abgeschrieben und bereits auf eine mögliche Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern gesetzt.
Jetzt rechnen die Experten nochmals nach, wiegen sichere und unsichere Wahlkreise gegeneinander auf, jonglieren mit vermutlichen Gewinnen und Verlusten - und kommen zu dem Schluss, dass möglicherweise für die Demokraten doch noch nicht alles verloren ist.
Darauf baut Obama bei seiner Aufholjagd. Zwar sei die Lage düster. "Doch der einzige Weg, das zu ändern, ist es, dass dieselben Leute, die mich 2008 unterstützt haben, nicht aufgeben", appellierte Obama jüngst in Richmond an seine Anhänger. Der Präsident hat noch viel vor - um vor allem junge Wähler anzuheizen, will er gar demnächst im Musikkanal MTV auftreten. (Peer Meinert und Chris Cermak/dpa)