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Demokratie, die sie meinen

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle bezeichnete die mit 28 Prozent unverändert geringe Beteiligung an den Hochschülerschaftswahlen als "Wermutstropfen". Da hat er recht, aber möglicherweise hat es ein wenig mit ihm zu tun. "Sie können davon ausgehen, dass es bei der nächsten ÖH-Wahl mehr direkte Demokratie gibt", sagte Töchterle im Dezember 2011 bei einer Veranstaltung. Durfte man nicht.

Mehr direkte Demokratie gab es nicht bei dieser ÖH-Wahl. 2004 wurde die Direktwahl der ÖH-Bundesvertretung von der schwarz-blauen Regierung abgeschafft. Deren Vertreter waren zu offensiv bei den damaligen "Donnerstag-Demos" gegen die Regierungsbeteiligung der FPÖ. Sie wurde - mit der Begründung, die Servicefunktion der einzelnen Uni-Vertretungen stärken zu wollen - entmachtet.

Seit 2006 gibt es diese Koalition nicht mehr, das ÖH-Wahlrecht aber schon. Sogar die der Volkspartei nahestehende AG verlangt eine Änderung, alle anderen Gruppen tun das vehement.

Dass gar nichts geschah, mag Studierende entmutigt haben, hinzugehen - die "große Politik" nimmt die Wahl ohnehin nicht so ernst, lautet die Botschaft hinter der Untätigkeit.

Wen werden die jungen Leute wohl bei der Nationalratswahl wählen? Die ist eine diesmal zeitnahe Gelegenheit, der "großen Politik" zu zeigen, wie sich Ignoranz rächen kann.

28 Prozent Wahlbeteiligung ist ein erschreckendes Zeichen, gerade die Universitäten sollten ein Hort der gesellschaftspolitischen Dynamik sein, in dem Innovationen ausprobiert werden. Mitbestimmung und "mehr Demokratie" sind Inhalte, die politische Parteien im Nationalrat bunt beschreiben. Universitätsreformen der vergangenen Jahrzehnte haben genau diese reduziert.

Plus: Die Verschulung der Universitäten hat aus der Mindest-Studiendauer die Norm-Studiendauer gemacht. Wer länger braucht, gilt schon fast als Schmarotzer. Kaum noch Zeit für Ideen, kaum noch Zeit, sich als Laboratorium der Zukunft zu begreifen.

Die nächste Regierung sollte also wenigstens eine Reform des ÖH-Wahlrechts ins Arbeitsübereinkommen schreiben, auch das jüngst abgelehnte E-Voting neu prüfen. Und die Unis sollten das Thema Mitbestimmung stärker diskutieren. Einen Negativ-Rekord wie an der Akademie der Bildenden Künste mit 18,8 Prozent Wahlbeteiligung darf es 2015 nicht mehr geben.