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Oft erreicht Geschichte eine halsbrecherische Geschwindigkeit, und manchmal schaffen wir es kaum mitzuhalten. Gerade erleben wir wieder eine solche Periode - so wie bereits 1989.
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Was wir damals gesehen haben und was wir auch heute wieder in Nordafrika und der Arabischen Welt sehen, ist der Durst der Menschen nach Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie. Auch in Demokratien gibt es inhärente Schwierigkeiten - schon Churchill bezeichnete Demokratie als "die schlechteste Regierungsform, mit Ausnahme all der anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind". Aber sie ist das einzige Konzept zur Organisation eines gesellschaftlichen Zusammenlebens, das sich selbst korrigiert, das anpassbar und progressiv ist.
Und hier kommt die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ins Spiel: Unsere Investitionen zielen darauf ab, den Übergang zu Marktwirtschaft und Demokratie voranzutreiben.
Seit unserer Gründung im Jahr 1991 haben wir gelernt, dass Veränderung nicht durch die schlichte Anwendung von vorgegebenen Regeln und Formalitäten geschieht, bei der ein Land gleichsam eine gigantische Check-Liste abhakt und dann ein Zertifikat über die Einführung von Demokratie und Marktwirtschaft erhält. In Wirklichkeit ist eine solcher Wandel ein sich ständig verändernder, lebendiger Prozess, in dem wir Fortschritte aber auch Rückschläge erleben, in dem wir auf historische Erfolge zurückblicken können, in dem aber immer noch viel zu tun bleibt.
Dieses Verständnis von Wandel als sich laufend entwickelnder Prozess ist nicht nur auf Osteuropa anwendbar. Es gilt zum Beispiel auch für den Wandel, den die Europäische Integration in Westeuropa in den letzten Jahrzehnten bewirkt hat. Heute wissen wir nicht, was in der Arabischen Welt als nächstes passieren wird, aberalles spricht dafür, dass die Dynamik und der Impuls der letzten Wochen und Monatezu grundlegenden Veränderungen führen werden..
Dynamik und Impuls sind auch zwei Worte, die sehr treffend die Entwicklungen in Osteuropa über die vergangenen 20 Jahre beschreiben. Mein erster Job als junger Mann war als Assistent von Willy Brandt. Zu dieser Zeit war es für meine Generation praktisch unvorstellbar, dass wir einmal Länder wie Polen oder Ungarn in der Europäischen Union sehen würden. Für Euch, die junge Generation dürfte es der Normalzustand sein, in einem vereinten Europa ohne Eisernem Vorhang aufzuwachsen. Das zeigt, wie weit wir gekommen sind.
Bereits vor der derzeitigen Krise in Nordafrika hat die EBRD eine Anfrage der ägyptischen Regierung zur Aufnahme in den Kreis der Länder, in denen die Bank tätig ist, erhalten. Jetzt treiben wir diese Beurteilung zügig voran und werden dabei Ägyptens Bekenntnis zu Demokratie und Marktwirtschaft sorgfältig analysieren.
Wir haben als EBRD die Möglichkeit, den privaten Sektor zu entwickeln, vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen. Es sollte nicht vergessen werden, dass Jugendarbeitslosigkeit einen großen Teil der Unzufriedenheit in Ägypten und anderen Ländern ausmacht.
Vor 20 Jahren hat sich die EBRD der Herausforderung des Zusammenbruchs des Kommunismus gestellt. Heute, im Nahen Osten, sind wir - wenn wir von unseren Gesellschaftern dazu beauftragt werden - bereit, erneut zu handeln.
Übersetzung: Barbara Ottawa Thomas Mirow ist Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD).