Zum Hauptinhalt springen

Demokratie-Rating: Österreich fällt zurück

Von Walter Hämmerle

Kommentare

Über Österreichs Demokratiequalität lässt sich trefflich streiten. Am Montag bietet sich der nächste Anlass.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Am Montag wird im Parlament das neue Democracy Ranking 2009/2010 präsentiert. Die von den Autoren David F.J. Campbell und Christa Pölzlbauer erstellte Studie hat rund hundert Staaten untersucht, Aufnahme haben allerdings nur jene Länder gefunden, die vom Washingtoner Think tank "Freedom House" als "free" beziehungsweise zumindest "partly free" eingestuft werden und zumindest über eine Million Einwohner verfügen.

Beim letzten Mal belegte Österreich den respektablen achten Platz. Angeführt wurde die Liste von den nordischen Ländern Schweden, Norwegen, Dänemark sowie Finnland gefolgt von der Schweiz, den Niederlanden und Neuseeland. Hinter Österreich komplettieren noch Australien und Belgien die Top ten des Democracy Ranking 2008.

Die genaue Rangliste für 2009/10 ist noch unter Verschluss, so viel kann jedoch bereits verraten werden: Österreichs Position hat sich verschlechtert.

Auffallend ist die Häufung kleinerer, weitgehend sozialdemokratisch geprägter Staaten an der Spitze. Die Vereinigten Staaten dagegen, die sich die Verbreitung von Freiheit und Demokratie auf ihre Fahnen geschrieben haben und sogar Kriege in deren Namen führen, finden sich nicht im Spitzenfeld. Die USA gelten gemeinhin als mustergültige "electoral democracy", deren formale Charakteristika ein wettbewerbsorientiertes Mehrparteiensystem, das allgemeine Wahlrecht für alle erwachsenen Bürger, regelmäßige freie Wahlen sowie die mediale Offenheit für politische Kampagnen von Parteien und Politikern umfassen.

Für das Ranking wurden diese Kriterien jedoch noch um sozioökonomische Komponenten wie Bildung, Gesundheit, Wirtschaft und Umwelt zur Bewertung erweitert, bei denen die USA traditionell schlecht, West- und insbesondere Nordeuropa jedoch besonders gut abschneiden.

Für Österreich ortet Co-Autor Campbell zwei große Defizitbereiche: Zum einen die Konstruktion des Zugangs zur Staatsbürgerschaft; hier gebe es nach wie vor keinen Automatismus, sondern lediglich eine Antragsmöglichkeit für in Österreich geborene Ausländer. Zum anderen die fehlende Verankerung von politischer Bildung als Pflichtgegenstand in sämtlichen Schultypen. Beide Mängel stellen für Campbell eminente Defizite für Österreichs demokratisches System dar.

Keine Rolle spielten dagegen die kleinen Besonderheiten der österreichischen Demokratie bei der Qualitätsfeststellung. Etwa dass der letzte Nationalratswahlkampf, bei dem es immerhin um die politische Weichenstellung für die nächsten fünf Jahre hätte gehen sollen, von mehr als skurrilen Ideen zur Bekämpfung der Inflation bestimmt war (keine Mehrwertsteuersenkung für

"Luxuslebensmittel"!).

Drei Monate später war die Inflation von der politischen Agenda wieder spurlos verschwunden.

Für sinnvolle Maßnahmen im Kampf gegen die bereits im Herbst 2008 absehbare Wirtschaftskrise samt darauf folgender Arbeitslosigkeit hatten die Parteien leider keine intellektuellen Ressourcen im Wahlkampf mehr frei. Die wurden durch die fieberhafte Suche nach Argumenten für die Verlängerung der Hacklerpension okkupiert.

Dass diese auch nicht von einer angeblich so kritischen Medienöffentlichkeit lautstark eingefordert wurden, sagt übrigens ebenfalls sehr viel über Demokratiequalität aus. Irgendwie halt.