Zum Hauptinhalt springen

Demokratie verpflichtet

Von Paul Grohma, Michael Lidauer und Armin Rabitsch

Recht

Weitere Verbesserungen sind dringend notwendig, um Österreichs Verpflichtungen für demokratische Wahlen zu erfüllen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der kürzlich veröffentlichte Wahlbewertungsbericht zur Nationalratswahl 2017 stellt Österreich insgesamt ein gutes Zeugnis aus. Dennoch bedarf es ausdrücklich weiterer Verbesserungen, um Österreichs Verpflichtungen im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und anderer internationaler Standards für demokratische Wahlen zu erfüllen.

Die von der OSZE/ODIHR (OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte) entsandte Wahlbewertungsmission listet 17 Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlrechts und Wahldurchführung auf und verweist darauf, dass nichtadressierte Empfehlungen der vergangenen Wahlmissionen 2010, 2013 und 2016 nach wie vor Gültigkeit haben. Mit insgesamt neun entsandten OSZE/ODIHR Wahlmissionen ist Österreich zudem "Spitzenreiter" innerhalb der etablierten OSZE Demokratien und hinkt vor allem skandinavischen Ländern mit der Umsetzung von Wahlreformen hinterher. Bereits am OSZE Gipfel in Istanbul 1999 einigten sich alle Teilnehmerstaaten darauf, "den Wahlbeurteilungen und Empfehlungen von ODIHR umgehend Folge zu leisten." Österreich steht als Gastgeberland der OSZE und mit dem Vorsitz der Organisation 2017 dabei besonders in der Pflicht.

Wahlinformationen sollen besser vermittelt werden

Der neue OSZE/ODIHR Wahlbewertungsbericht betont insbesondere, dass Wahlinformationen besser in der Öffentlichkeit vermittelt werden und dass der Rechnungshof mit ausreichenden Mitteln zur Überprüfung von Parteienfinanzierung ausgestattet sein sollte. Weiters solle die Möglichkeit von individuellen Einsprüchen im Wahlprozess auf den Zeitraum vor dem Wahltag eingeräumt werden. Im Sinne der Gewaltenteilung sollten Wahlbehörden keine gewählten Vertreter oder Kandidaten beinhalten, und der Wahlbeisitz sollte weiter geöffnet werden.

Empfehlungen der OSZE/ODIHR wurden bei bisherigen Wahlrechtsreformen nur bedingt von den letzten Regierungen und den politischen Parteien im Parlament aufgegriffen. Während die Einführung des Parteien- und Parteienförderungsgesetzes 2012 als Reaktion auf OSZE/ODIHR und Europarat/GRECO Empfehlungen betrachtet werden kann, wurden nicht alle Empfehlungen berücksichtigt oder vollständig umgesetzt - vor allem solche nicht, die die Wahlkampf- und Parteienfinanzierung und deren Transparenz, Rechenschaft und Überprüfung betreffen. Weiters fehlt auch die Umsetzung von Empfehlungen bezüglich der Vereinfachung der Kandidatenregistrierung, erhöhter Sicherheitsstandards speziell für die Briefwahl, einheitlicher Regelung der Wahlzeit, sowie einer Abschaffung der rechtlichen Hürden für nationale Wahlbeobachter.

Die Novellierung des Wahlrechts in Österreich erfolgte in den vergangenen Jahren meist in kleinen Etappen. Der Enquete-Kommission zur Stärkung der Demokratie im Parlament in den Jahren 2014/2015 wurde von den verschiedenen Parteien mangelnder Erfolg attestiert. Die Krise des Wahljahrs 2016 mit der Aufhebung einer ganzen Wahl durch den Verfassungsgerichtshof und der notwendigen Verschiebung der Wahlwiederholung aufgrund von fehlerhaften Briefkarten hätte sich als Chance für Veränderung und substanzielle Reformen des Wahlrechts und der Wahlpraxis geboten. Über wenige Novellierungen zur Ermöglichung der Wahlverschiebung mit einem neuen Stichtag für die Aktualisierung des Wählerregisters gingen die Veränderungen aber nicht hinaus.

Regierungsprogramm legt Wahlreform-Durchführung fest

Dass eine Einigung auf die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit zu Wahlreformen im Nationalrat möglich ist, wurde aber im Jahr 2016 zweimal unter Beweis gestellt und resultierte in dem seit Januar 2018 in Kraft getretenen Zentralen Wählerregister. Durch die vorgezogene Neuwahl 2017 wurde eine geplante Wahlreformarbeitsgruppe des Verfassungsausschusses im Parlament jedoch nie konstituiert.

Bereits vor der letzten Nationalratswahl organisierte die zivilgesellschaftliche, unparteiische Plattform wahlbeobachtung.org eine Podiumsdiskussion mit mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen, die gemeinsam forderten, dass Wahlreformen Eingang in das aktuelle Regierungsprogramm und die Koalitionsvereinbarung finden sollten. Zudem wurde beansprucht, dass der Wahlreformprozess inklusiv und partizipativ unter (stärkerer) Einbindung der Zivilgesellschaft stattfinden solle.

Die Regierungsparteien haben auf Seite 20/21 des Regierungsprogramms die Durchführung einer Wahlreform festgelegt: "Weiterentwicklung des Wahlrechts auf Basis des bestehenden Verfassungsrechts in Richtung eines besseren Services für die Bürger sowie gleichzeitig Vermeidung von Manipulationsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verfassungsgerichtshofes anlässlich der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl." Konkret wird bei diesen Reformvorhaben aber nur die Möglichkeit der vorzeitigen Stimmabgabe bei der Gemeinde und eine gemeinsame Auszählung von Briefwahl- und Urnenstimmen bereits am Wahltag vereinbart. Diese beiden geplanten Maßnahmen stimmen zwar mit Empfehlungen von OSZE/ODIHR sowie jenen von wahlbeobachtung.org überein - lassen aber noch viele der internationalen Empfehlungen außer Acht.

Vereinfachung des gesetzlichen Regelwerkes wäre wichtig

Eine anstehende Wahlrechtsreform sollte in einem größeren Rahmen gedacht werden, um auch weitere Empfehlungen von OSZE/ODIHR und Europarat/GRECO umzusetzen und dem Prozess einer gelebten partizipativen Demokratie zu entsprechen. Das bedeutet eine vermehrte Einbindung von zivilgesellschaftlichen Initiativen und ein größeres Verständnis für die Anliegen der Wähler. Weiters wäre eine Vereinfachung des gesetzlichen Regelwerks wichtig, um größere Wählernähe und ein besseres Demokratieverständnis zu erreichen. In diesem Sinne sollte im Mittelpunkt der Reformen nicht nur das Resultat stehen - ein neues oder ergänztes Wahlrecht - sondern auch der demokratische Prozess gestärkt werden, der zu diesem führt.

"Es wird weithin erwartet, dass weitere Bemühungen zur Reform des Wahlrechts bald nach der Wahl in Angriff genommen werden", hat die OSZE/ODIHR bereits in ihrem Abschlussbericht 2016 festgestellt. Die OSZE/ODIHR wird dieses Jahr eine weitere Mission nach Wien entsenden, um den Bericht und die Empfehlungen der Wahlbewertungsmission mit den österreichischen Behörden und politischen Parteien zu besprechen.

Um einen umfassenden Wahlreformprozess mit einem breiteren Publikum zu diskutieren, findet am
15. März um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion im Rahmen eines Human Rights Talks zum Thema Wahlreformen im Dachgeschoß des Juridicum in Wien statt.

Der Eintritt ist frei.

Um Anmeldung wird gebeten:

humanrightstalk@univie.ac.at