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Demokratisierung der Eurozone

Von Stefan Brocza

Gastkommentare
Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

Was für ein eigenes Parlament der Euroländer spricht.


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Im Gegensatz zu EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Aspekt einer künftigen Demokratisierung der Eurozone in den Mittelpunkt seiner Ideen für eine EU-Reform gestellt.

In den vergangenen zehn Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich in Europa ein neues Machtzentrum herausgebildet: die "Regierung der Eurozone". Diese seit ihrer Gründung informelle und vielfach undurchsichtige zentrale Institution, die Eurogruppe der Finanzminister der Eurozone, arbeitet - zumindest teilweise - außerhalb der Europäischen Verträge und ist daher nur eingeschränkt rechenschaftspflichtig; sowohl gegenüber dem EU-Parlament wie auch den jeweiligen nationalen Parlamenten.

Man muss nicht gleich so weit gehen und dieses Regime als "postdemokratische Autokratie" bezeichnen, wie dies etwa der bekannte französische Ökonom Thomas Piketty und seine Mitautoren im lesenswerten Büchlein "Für ein anderes Europa. Vertrag zur Demokratisierung der Eurozone" jüngst getan haben. Dennoch trifft die Kritik einen wunden Punkt: die fehlende Demokratisierung der Eurozone.

Neben den allgemeinen Reformvorschlägen wie EU-Währungsfonds, EU-Finanzminister (als permanentem Vorsitzenden der Eurogruppe) oder eigenen, zusätzlichen und natürlich üppig dotierten Budgets für die Eurozone sticht Macrons Forderung nach einem eigenen Parlament der Euroländer ins Auge. Frankreichs Präsident hat nämlich - im Gegensatz zum Kommissionschef - erkannt, dass die bisherige Vorgehensweise nicht mehr haltbar und auch nicht länger argumentierbar ist. Derzeit haben alle EU-Abgeordneten die Möglichkeit und das Recht, an Diskussionen zum Euro teilzunehmen - egal, ob ihr Land ihn als Währung hat oder nicht. So kommt es, dass sich Vertreter aus 28 EU-Staaten zu Belangen von 19 EU-Staaten äußern und mitreden. Es liegt zugleich auf der Hand, dass diese Euro-19 ihren parlamentarischen Pfeiler stärken sollten.

Erstaunlicherweise spricht sich das EU-Parlament, aber eben auch die EU-Kommission gegen eine solche Teilung (die mit einer Kompetenzaufwertung verbunden wäre) aus. Das EU-Parlament, weil es sich als Gesamtvertretung der EU versteht und nicht auseinanderdividiert werden möchte, die Kommission aus einem ähnlichen Einheitsdenken. Aus dieser Gedankenwelt heraus lässt sich auch Junckers Aussage erklären, dass natürlich alle EU-Staaten den Euro einführen würden. Nur durch die Aufrechterhaltung dieser Illusion lässt sich eine Teilung des EU-Parlaments vermeiden.

Um die Akzeptanz der Einheitswährung zu erhöhen und auch, um ihr politisches Überleben zu garantieren, wird es unumgänglich sein, den demokratisch-parlamentarischen Pfeiler der Eurozone zu stärken. Eine solche Stärkung bedingt wohl auch zusätzliche Kompetenzen. Solche Kompetenzen können und dürfen jedoch nur Abgeordnete erhalten, die in den jeweiligen Euroländern dafür durch Wahlen legitimiert sind. Soll die europäische Integration weiter vorangetrieben werden, so geht das wohl nur mit einem eigenständigen, starken Euro-Parlament. Es ist höchste Zeit, das zu akzeptieren.