Verfassungsexperte sieht keine Möglichkeit, Demonstrationen in Wien auf bestimmte Zonen zu beschränken.
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Wien. 200 Leute in Bademänteln, die den 80. Geburtstag von Udo Jürgens feiern. Demonstrationen laufen in Wien leider nicht immer so friedlich ab. So wurde beispielsweise während Tumulten in der City vor einiger Zeit der Schanigarten einer Aida-Filiale "verwüstet", erklärt Junior-Chef Dominik Prousek bei einem Pressetermin am Montag. Das Lokal war daraufhin für mehrere Stunden geschlossen. Die Kaffeehauskette hat diesen Zwischenfall zum Anlass für eine Petition genommen, die Demonstrationen, von denen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial ausgeht, aus der Innenstadt sowie aus Tourismuszonen und Einkaufsstraßen verbannen soll.
ÖVP will Demozoneam Heldenplatz
Diese Maßnahme solle dem Schutz von Kunden, Touristen, Gästen, Mitarbeitern und Unternehmern dienen, heißt es im Text. "Die Versammlungsfreiheit soll damit nicht eingeschränkt werden, aber wir wollen aufzeigen, dass es so nicht mehr weitergeht", betont ein Unternehmenssprecher. Die Petition liegt seit Anfang September auf, laut Aida-Chef Prousek haben bereits 112 Geschäftsleute der Inneren Stadt unterschrieben. "Wir sind damit auch nicht an die Händler herangetreten, sie sind alle von alleine zu uns gekommen", erklärt er.
Die Wiener ÖVP unterstützt das Vorhaben. Die Schwarzen fordern seit Jahren die Einrichtung von speziellen Demonstrationszonen in Wien, beispielsweise am Heldenplatz, in der Praterallee oder auf der Donauinsel. "Es ist uns wichtig, Versammlungsfreiheit, Sicherheit und freies Unternehmertum miteinander in Einklang zu bringen" betont Landesparteichef Gernot Blümel. Vor allem Ringsperren seien für Gewerbetreibende ein Problem. "Laut Wirtschaftskammer verzeichnen Unternehmer an diesen Tagen Umsatzrückgänge von bis zu 70 Prozent", so Blümel. Außerdem wolle er verhindern, dass innenpolitische Konflikte anderer Staaten in Österreich auf die Straße getragen werden, merkt er im Hinblick auf Ausschreitungen rund um Demonstrationen zum Putschversuch in der Türkei im Sommer an.
Die ÖVP holt mit ihrer Forderung aber noch weiter aus. Gernot Blümel spricht auch Kundgebungen an, die "wirken, als würden sie nur zum Gaudi der Veranstalter gemacht". Dabei nennt er "Rasen am Ring", das anlässlich des autofeien Tages zuletzt 2015 einen Ringabschnitt mit Rollrasen und Liegestühlen ausstattete, den jährlich stattfindenden Hanfwandertag oder die "Bademantel-Parade" zum 80. Geburtstag von Udo Jürgens im Jahr 2014.
Verfassungsrechtler Heinz Mayer erinnert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" jedoch daran, dass der Staat nicht zu beurteilen habe, welche Veranstaltungen demokratiepolitisch wichtig seien und welche nicht. "Das obliegt allein den Gruppierungen, die demonstrieren wollen", meint er. Auf Nachfrage meint auch Blümel, dass die Demonstrationszonen für alle Veranstaltungen gelten sollen. "Wichtig ist uns, dass das Konzept einmal erprobt wird", so der Wiener ÖVP-Chef.
Verbote sind nurim Einzelfall möglich
Laut Heinz Mayers Einschätzung wird es jedoch nicht einmal zu einem solchen Testlauf kommen. "Demonstrationszonen einzurichten und damit Demos im Allgemeinen von symbolträchtigen Orten aus der Innenstadt zu verbannen, halte ich juristisch für unzulässig", erklärt der Verfassungsrechtler. Den Kundgebungen würde so auch die öffentliche Aufmerksamkeit entzogen werden, die sie besonders in der Inneren Stadt bekämen.
Die in der Verfassung verankerten Bestimmungen seien sehr eng auszulegen, betont Mayer. Es sei die Aufgabe der Behörden, dafür zu sorgen, dass Kundgebungen gewaltfrei ablaufen und bei Übergriffen eingeschritten wird. Im Ernstfall können sie die Veranstaltung auch auflösen. "Demonstrationen können aber nicht auf Verdacht hinaus untersagt werden", stellt Mayer klar. "Das ist nur im Einzelfall möglich, wenn die Gefahr besteht, dass es zu unerträglichen Konsequenzen für die öffentliche Sicherheit kommt."
Dies sei der Fall, wenn aus Erfahrung bekannt wäre, dass es bei Demonstrationen gewisser Gruppen immer zu gewalttätigen Ausschreitungen komme oder vorab explizit zu Gewalt aufgerufen werde, beispielsweise in sozialen Netzwerken. Trotzdem können die Behörden hier keine Willkür walten lassen. Weder die Demonstrationen von Tierrechtlern noch Proteste gegen den Akademikerball oder Identitären-Demos können von vorneherein verboten werden. "Auch die Opernballdemonstrationen, bei denen es jahrelang zu Ausschreitungen kam, wurden aus genau diesem Grund nicht untersagt. Übergriffe müssen von der Polizei im Einzelfall beseitigt werden, aber ein allgemeines Verbot ist unzulässig" bekräftigt Jurist Mayer.
Auch die Variante, statt Demonstrationszonen sogenannte Tabuzonen anzulegen und beispielsweise den Ring generell für Kundgebungen zu sperren, weist Mayer von der Hand "So etwas geht sicher nicht. In diesem Kontext gibt es nur das Demonstrationsverbot rund um das Parlament, um zu verhindern, dass Sturmpetitionen den Gesetzgeber in seiner Handlungsfreiheit einschränken", merkt er dazu an.
Einschränkungen könntenleicht ausgehebelt werden
Einzig für Drittstaatsangehörige könnte man das Demonstrationsrecht laut europäischer Menschenrechtskonvention einschränken. Eine derartige Regelung wäre aber zahnlos. "Es reicht dabei schon, dass österreichische Staatsbürger die Demonstration anmelden, dann wäre das Verbot mehr oder minder ausgehebelt. Denn auch die Veranstalter können nicht verhindern, dass Drittstaatsangehörige zur Kundgebung kommen. Sie können ja nicht von jedem Teilnehmer die Ausweise kontrollieren", so Experte Mayer. Dass damit das Austragen innenpolitischer Konflikte anderer Staaten in Wien, wie es die ÖVP nennt, verhindert werden könne, hält Mayer übrigens für unrealistisch. "Ich nehme an, dass die meisten Pro-Erdogan-Demonstranten österreichische Staatsbürger waren", nennt der Verfassungsrechtler ein Beispiel.