Unfreundlicher Empfang durch SPÖ-Jugend. | Oberösterreichs SPÖ-Chef grollte über Beibehaltung der Studiengebühren. | Linz. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Mitunter ist es aber auch der Fall, dass man eine Reise deshalb unternimmt, um etwas zu erzählen. Da wird der Weg quasi zum Ziel. So, oder zumindest so ähnlich, verhält es sich auch mit der österreichischen Bundesregierung, die am Freitag von Wien aus zu ihrer ersten Arbeitsklausur nach Linz aufbrach.
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Per Zug wohlgemerkt, Abfahrt um 7.30 Uhr vom Wiener Westbahnhof - und tatsächlich, bis auf Verteidigungsminister Norbert Darabos und Innenminister Günther Platter, die beide bereits am Donnerstag nach Oberösterreich reisten, sowie die krankheitshalber verhinderte Frauenministerin Doris Bures war die gesamte Regierung geschlossen zur gemeinschaftlichen Anfahrt angetreten. Den permanenten Nörglern am innerkoalitionären Klima sollte endlich einmal demonstriert werden, dass die Stimmung so schlecht nicht sein kann, wenn alle gemeinsam eine Reise tun.
Die Menge der mitgereisten Journalisten hörte die intendierte Botschaft wohl, allein, den meisten fehlte der Glaube. Sicher, die neue ÖVP-Familienministerin Andrea Kdolsky verstand sich blendend mit SPÖ-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter. Zwischen beiden lief der Schmäh - und man nahm den beiden durchaus ab, dass sie jenseits aller Unterschiede miteinander können.
Risse bekam das harmonische Bild allerdings, als Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein offen über seinen Frust über die Mühsal des rot-schwarzen Regierungsalltags plauderte. Dass ständig Konzepte zu seinem Zuständigkeitsbereich aus der SPÖ-Parteizentrale auftauchen würden, könne ja wohl wirklich nur Zufall sein. Offensichtlich müsse er eben wieder vermehrt Hürdenlauf trainieren, will sich der einst passionierte Leichtathlet keinen allzu rosigen Illusionen über die weitere Entwicklung der rot-schwarzen Zusammenarbeit hingeben.
Die Regierungsspitze hatte während der ganzen Zugfahrt übrigens keine Zeit für Smalltalk mit den Journalisten. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer konferierten die ganze Fahrt über abwechselnd mit den beiden Koalitionssorgenkindern Sozialminister Erwin Buchinger und Bartenstein und den beiden Regierungskoordinatoren Umweltminister Josef Pröll und Infrastrukturminister Werner Faymann in einem abgeschlossenen Abteil. Offensichtlich galt es noch, einige Stolpersteine für einen reibungslosen Ablauf der zweitägigen Klausur aus dem Weg zu räumen.
Faymann, politisch für die ÖBB verantwortlich, dürfte aufgeatmet haben, als der Zug pünktlich um 9.10 Uhr auf dem Linzer Hauptbahnhof eintraf. Weniger erfreut war dagegen der Bundeskanzler, als er auf eine kleine Abordnung der oberösterreichischen SPÖ-Parteijugend auf dem Bahnsteig traf.
Proteste gegen Temelin
"Willkommen Herr Bundeskanzler Wilhelm Molterer" und "Wir pfeifen auf schwarze Politik mit rotem Bundeskanzler" stand da auf Transparenten zu lesen, und die zwölf Aktivisten machten dazu einen ohrenbetäubenden Lärm mit ihren Trillerpfeifen. Kaum freundlicher auch der Empfang bei der Ankunft am Tagungsort im Ars Electronica Center. Hier hatte sich eine Abordnung von Atomgegnern eingefunden, um gegen das tschechische AKW Temelin zu protestieren.
Oberösterreichs SPÖ-Chef Erich Haider wollte dennoch nicht von einem unfreundlichen Empfang für den neuen Kanzler sprechen - immerhin habe man nur eine kleine Delegation der Parteijugend entsendet. Und einmal mehr hielt er mit seinem Groll über die Beibehaltung der Studiengebühren, Eurofighter und Pensionsreform nicht hinterm Berg. Ins selbe Horn blies auch der Linzer SPÖ-Bürgermeister Franz Dobusch. Da lag es dann an ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer, wenigstens ansatzweise für gute Stimmung zu sorgen: Das Klima in der großen Koalition sei gar nicht so schlecht wie deren Ruf glauben machen wolle. Und dass SPÖ und ÖVP darauf achten, ihr je eigenes Profil zu schärfen, sei selbstverständlich und auch notwendig. Man wolle schließlich nicht denselben Fehler wie die alte große Koalition begehen und den Anschein einer Einheitspartei erwecken. Profitiert hätten davon nämlich nur die FPÖ und die Grünen.
In diesem Fall besteht für die Medien kein Anlass für Sorge: Für zukünftige koalitionsinterne Aufregung ist demnach gesorgt.