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"Demontage eines Unbequemen"

Von Veronika Gasser

Politik

Obwohl keiner glaubte, dass es bei der Vorstellung der neuen Mitglieder der Wiener Stadtregierung Überraschungen geben wird, hatte Bürgermeister Michael Häupl zum Schluss doch noch unerwarteter Weise einen Pfeil im Köcher: Dieser traf Kurt Scholz. Für Journalisten, aber auch für manches SPÖ-Mitglied überraschend, gab Häupl die Ablöse des langjährigen Präsidenten des Wiener Stadtschulrates bekannt. Dieser soll stattdessen das neu zu schaffende Amt für Restitutionsfragen übernehmen. ÖVP und FPÖ sind über die Entscheidung entsetzt, die Grünen kommentieren den "Abstieg" zurückhaltend.


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Nachdem Kurt Scholz wochenlang als möglicher Kulturstadtrat gehandelt wurde, ist er nun seinen gut dotierten Posten im Wiener Stadtschulrat los. Hinter den Kulissen sprechen die Kritiker der Häupl-Entscheidung über die Demontage eines Unbequemen. Auch wenn der oberste Stadt-Chef meint, er hätte mit Scholz "einen äußerst qualifizierten Kopf, mit einem äußerst wichtigen Amt betraut". In die Fußstapfen von Scholz tritt Susanne Brand-steidl. Die promovierte Sprachwissenschafterin war bisher im Stadtschulrat als Beamtin tätig. Sie erfuhr von ihrem beruflichen Aufstieg vor knapp einer Woche, wie sie gegenüber der "Wiener Zeitung" betont. Scholz wurde erst nach ihr von der Umbesetzung in Kenntnis gesetzt. Mit etwas Wehmut verabschiedet er sich nach neun Jahren aus seinem Amt: "Natürlich schwingt auch ein wenig Trauer mit, aber ich werde die neue Aufgabe mit Neugierde übernehmen."

Die Opposition kommentiert die "überfallsartige" Personalrochade kritisch. Herbert Rudolph (F), Noch-Vizepräsident im Stadtschulrat und ehemals Kontrahent von Scholz, spricht von "einer brutalen politischen Hinrichtung, die von Vizebürgermeisterin Grete Laska angezettelt" worden sei. Und mit seiner Nachfolgerin drohe Wiens Schulen "Parteibuchwirtschaft bis zum Exzess".

Die von Rudolph attackierte Stadträtin für Bildung war in die Entscheidung eingebunden und freut sich über die Bestellung einer Frau. "Ich hatte zuletzt den Eindruck, Scholz hat selbst überlegt, eine andere Funktion zu übernehmen", erklärt sie gegenüber der "Wiener Zeitung" in Anspielung auf seine begehrlichen Aussagen in Richtung Kulturressort. Und eine neue Aufgabe hat Scholz mit dem Posten eines Stadtbeauftragten für Zwangsarbeiter- und Restitutionfragen verpasst bekommen, auch wenn kritische Beobachter munkeln, nicht unbedingt jene, die er sich auch gewünscht habe.

Für VP-Chef Bernhard Görg ist die Abberufung von Scholz "die Überraschung, die alle anderen Besetzungen überstrahlt": "Es zeigt mir, dass die SPÖ die Maske viel früher fallen lässt, als ich erwartet habe. Jetzt zeigt sich die wahre Denkart der SPÖ: Wir haben die absolute Mehrheit und brauchen uns um nichts mehr zu kümmern." Denn der streitbare Zilk-Mann war, so Görg, scheinbar nicht auf Parteilinie zu bringen: "Er war ein unbequemer Präsident, weil er sich für eine objektivierte Postenvergabe bei Direktorenbestellung eingesetzt hat und weil er die Sparpläne der Bundesregierung nicht in dem Ausmaß kritisiert hat, wie es die SPÖ-Linie im Wahlkampf gefordert hat." Über das neue Regierungsteam will sich Görg vorerst nicht äußern.

Erstaunlich zahme Töne kommen von den Grünen, sie wollen den neuen Stadträten erstmals Schonfrist gewähren. Grünen-Chef Christoph Chorherr meint zur Causa-Scholz lediglich: "Er ist in der Hierarchie der Stadt Wien sicher nicht aufgestiegen."