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Peking setzt die USA militärisch unter Zugzwang, lautet der Befund auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
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München. China, ein aggressiver und immer gefährlicher werdender Konkurrent für den Westen? Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ringt um die passende Wortwahl: Ja, es gebe viele Felder der Kooperation mit Peking, sagt sie. Aber ja, es gebe auch "genug Anlass für Kritik". In der Tat blicken westliche Militärexperten und Politiker auf der 55. Münchner Sicherheitskonferenz mit Unbehagen Richtung Osten. China wird militärisch zunehmend als Bedrohung wahrgenommen. Nicht nur die politische und wirtschaftliche, auch die militärische Bedeutung Pekings hat auf der internationalen Bühne in den letzten Jahren zugenommen. Die Rivalität, vor allem mit den USA, tritt jetzt deutlich zutage.
Dass das Reich der Mitte massiv aufrüstet, ist kein Geheimnis. Die Bemühungen werden generalstabsmäßig koordiniert, der chinesische Traum vom großen Wiederaufstieg hat eine aggressive Komponente. Das International Institute for Strategic Studies (IISS) errechnet die Dimensionen der globalen Rüstungsausgaben. Demnach hat Peking zuletzt umgerechnet mehr als 122 Milliarden Euro für Waffen ausgegeben. Das ist enorm, auch wenn die Militärausgaben der USA immer noch viermal so hoch sind. US-Präsident Donald Trump, der auf einer Kadettenanstalt sozialisiert worden war, hat das amerikanische Militärbudget bereits massiv erhöht.
Rüstungsausgaben steigen um acht Prozent pro Jahr
Schritthalten wird schwierig. China hat seine Rüstungsausgaben zuletzt im Durchschnitt jährlich um acht Prozent erhöht, selbst in den Jahren mit geringem Wirtschaftswachstum waren es sechs Prozent, wie John Chipman, IISS-Generaldirektor, in München vor Journalisten ausführt. Peking forciere dabei vor allem den Ausbau seiner Kriegsflotte, es gehe hier um Technologie, mit der man das Südchinesische Meer potenziell abriegeln könne. Insgesamt hat Peking in den vergangenen Jahren mehr als 100 Kriegsschiffe gebaut. China verfügt seit 2017 über zwei Flugzeugträger. Laut US-Aufklärung schüttet Peking im Südchinesischen Meer künstliche Inseln auf, um dort Waffensysteme wie Flugabwehrraketen zu stationieren.
China will den Westen aus dem indopazifischen Raum verdrängen - so sieht man es in Washington, wo Drohgebärden chinesischer Kampfschiffe penibel registriert werden. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man es bei China mit einem totalitären Staat zu tun habe, der seine autoritären Visionen im Weltmaßstab umsetzen wolle. Und in verstärktem Ausmaß auf die Möglichkeiten des Cyberwars zurückgreife. Dass zivile Firmen wie Huawei im Dienste der chinesischen KP stehen und sensible Daten abschöpfen, liegt laut Experten klar auf der Hand.

Vorerst geht es freilich um Blockaden im Südchinesischen Meer. Auf US-amerikanischer Seite wurde ein Zwischenfall Ende Dezember mit Besorgnis zur Kenntnis genommen. Die USS Decatur wurde von dem chinesischen Zerstörer Lanzhou aufgefordert, sofort den Kurs zu ändern, sonst gäbe es drastische Konsequenzen. Das US-Militär hat 18 derartige "gefährliche Zwischenfälle" gezählt. Es könne nicht sein, dass einzelne Staaten eigenmächtig internationale Wasserwege sperrten, so die Reaktion der Nato auf den Zwischenfall. Mit gleicher Berechtigung hätte man einem chinesischen Geschwader die Passage durch den Ärmelkanal verbieten können. Beim Streit im südchinesischen Meer, heißt es in Nato-Kreisen, gehe es gar nicht um die Kontrolle über ein paar Felseninseln: Es gehe darum, wer die Spielregeln für das 21. Jahrhundert gestalte.
Chinas Rolle im Streit um den INF-Vertrag
Auch der Konflikt um den atomaren Abrüstungsvertrag INF, der Washington und Moskau beschäftigt, geht zu einem gewissen Teil auf die Kappe Chinas. Peking müsste längst von dem Vertrag erfasst sein - das Arsenal an Atomsprengköpfen sowie Kurz- wie Mittelstreckenraketen ist entsprechend. Es hat in der Vergangenheit bereits Versuche Russlands gegeben, China in den INF-Vertrag einzubinden. Das Interesse Chinas sei allerdings "gleich Null", wie Militärexperten in München betonen.
In Washington sieht man mit Sorge, wie die Balance zugunsten Chinas verloren geht: Alte Verträge, die unter den Rahmenbedingungen des Kalten Krieges geschlossen worden waren, werden obsolet. Neue Abkommen, die die nukleare Gefahr bannen, müssen erst erfunden werden. Immerhin hat sich China 1964 verpflichtet, Atomwaffen nur als Vergeltung zu verwenden.
Der US-Militärgeheimdienst geht jedenfalls laut einer entsprechenden Studie davon aus, dass China darauf hinarbeite, eine "tödliche Macht in der Luft, auf dem Wasser und an Land" zu werden, um seinen Willen in seinen Einflusssphären durchzusetzen. Demnach entwickelt China derzeit einen strategischen Langstreckenbomber, der Atomwaffen tragen kann. Die "nuklearen Möglichkeiten" Pekings sind heute im Prinzip schon die gleichen wie die der USA oder Russlands.
Das setzt Washington unter Druck. Amerikas Flugzeugträger werden für Pekings Marine verwundbar, U-Boot-gestützte atomare Raketen können sogar die USA erreichen. Die USA laufen Gefahr, ihre Handlungsfähigkeit einzubüßen. Trump steuert gegen, doch der Ausbau der US-Streitkräfte ist kostspielig. Nachdrücklich fordern die USA ihre Nato-Partner seit Jahren auf, mehr beizusteuern. Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen in die Rüstung fließen, davon ist man jedoch weit entfernt. IISS-Generaldirektor Chipman rechnet vor, falls die Nato-Länder ihr selbst gestecktes Ziel erreichen wollen, müssten sie ihre Ausgaben im Schnitt um 38 Prozent oder 90 Milliarden Euro erhöhen.