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Die Inflationskrise zwingt die EZB bei ihrer Sitzung am Donnerstag wohl zu einem weiteren großen Zinsschritt.
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Vor allem aufgrund der verrückt spielenden Energiepreise geht es mit der Teuerung in der Eurozone geradezu beängstigend hinauf. Jüngste Zahlen untermauern die Dramatik dieser Entwicklung. Mit 9,1 Prozent hat die Inflation im August ersten Schätzungen zufolge ein neues Rekordhoch markiert. Wobei das nur ein Durchschnittswert ist. Denn mittlerweile liegt die Teuerungsrate in fast der Hälfte der 19 Euroländer bereits im zweistelligen Bereich - also über der Marke von 10 Prozent. In den baltischen Staaten erreicht sie sogar teilweise schon weit mehr als 20 Prozent. Gleichzeitig bewegt sich die Rate in keinem Land der Währungsunion unter 6,5 Prozent, in Österreich sind es 9,1 Prozent. Vor diesem Hintergrund hat die Europäischen Zentralbank (EZB), die Preisstabilität bei einem Inflationsrate von rund 2 Prozent sieht, weiterhin wohl keine andere Wahl, als entschlossen zu handeln und mit Zinserhöhungen gegenzusteuern.
Diesen Donnerstag ist es jedenfalls wieder so weit. Da treffen sich die europäischen Währungshüter nach ihrer Sommerpause, um darüber zu beraten, wie sie ihren weiteren geldpolitischen Kurs bei der Bekämpfung der Inflation orchestrieren sollen. Obwohl sich die Konjunktur in Europa inzwischen mehr und mehr einzutrüben beginnt, rechnen Finanzmarktexperten mit Blick auf den anhaltend starken Preisauftrieb erneut mit einem großen Zinsschritt, nachdem die EZB im Juli mit einer Zinsanhebung um 50 Basispunkte (0,50 Prozentpunkte) - spät, aber doch - die Wende eingeleitet hat. Es war die erste Erhöhung nach elf Jahren.
Bedenken nach Gaslieferstopp?
Dass die EZB die Schlüsselsätze am Donnerstag gleich um 75 Basispunkte hinaufsetzen wird, ist aber keineswegs sicher. Eine Anhebung in diesem Ausmaß hatten mehrere Mitglieder des EZB-Rats, darunter auch der österreichische Notenbank-Chef Robert Holzmann, vor Kurzem beim internationalen Zentralbank-Treffen in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming zur Diskussion gestellt.
Auch wenn die Märkte zuletzt bereits von einem solchen Zinsschritt ausgegangen sind - mit dem Argument, die ausufernde Inflation würde sonst noch mehr Schaden anrichten: Harald Holzer, Vorstand und Chief Investment Officer der zu Raiffeisen gehörenden Kathrein Privatbank, bezweifelt, dass es so kommt. Für ihn ist die in der Vorwoche etablierte Meinung, dass die EZB in der September-Sitzung um 75 Basispunkte erhöhen wird, vor allem wegen des Stopps der russischen Gaslieferungen über Nord Stream 1 am Wochenende "nicht mehr als gesichert anzunehmen".
"In der Europäischen Zentralbank herrscht - wie zumeist - ein Konflikt zwischen den ,Falken‘ im Norden (der Eurozone, Anm. d. Red.) und den ,Tauben‘ im Süden", erklärt Holzer dazu. "Da 75 Basispunkte ein Novum für die EZB wären und die Rezessionsgefahr größer ist als in den USA, denken wir, dass diesmal - knapp, aber doch - eher die ,Tauben‘ gewinnen werden und der Zinsschritt ,nur‘ 50 Basispunkte sein wird." Für die nachfolgenden beiden EZB-Sitzungen bis Jahresende erwartet Holzer dann - je nach Entwicklung der Lage - "Zinsanhebungen von in Summe einem Prozentpunkt".
Heißer Herbst kündigt sich an
Ulrike Kastens, Volkswirtin des zur Deutschen Bank gehörenden Vermögensverwalters DWS, will sich indes nicht festlegen, ob die EZB am Donnerstag wie im Juli nochmals um 50 Basispunkte nach oben geht oder dabei noch etwas draufsetzt. Dass die Euro-Wächter zu einem großen Zinsschritt gezwungen sind, steht für die Expertin freilich trotz einer schwächeren Konjunktur außer Frage. "Die Lage an der Preisfront hat sich weiter verschlechtert", betont sie. "Steigende Gas- und Elektrizitätspreise werden die Inflationsrate in der Eurozone im Herbst auf mehr als zehn Prozent katapultieren."
Aus der Sicht Kastens’ hat sich der Preisauftrieb "bereits verbreitert, obwohl es noch zu keinen kräftigen Lohnsteigerungen gekommen ist". Damit wachse auch innerhalb der EZB "die Sorge, dass sich die Inflationserwartungen ,entankern‘ könnten", sagt die Ökonomin. "Nicht ohne Grund hat daher auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel in Jackson Hole einer restriktiveren Geldpolitik eindrücklich das Wort geredet."
Einige Experten geben jedoch zu bedenken, dass die EZB mit Zinserhöhungen nur eingeschränkt und indirekt Einfluss auf den Höhenflug der besonders inflationstreibenden Energiepreise nehmen kann. Womit es aus ihrer Sicht nur schwer möglich ist, die erhöhte Inflation substanziell hinunterzubringen. Wie ebenfalls in diesen Kreisen zu hören ist, besteht daneben aber auch die Gefahr, dass zu kräftige Zinserhöhungen die Konjunktur abwürgen und einer Rezession den Boden bereiten könnten.
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