Pandemiebedingte Lernverluste bei den Schulkindern müssen wieder reduziert werden.
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Wir sind aktuell mit vielen Herausforderungen konfrontiert: Grüne Transformation, Krieg in Europa, Teuerung, Energiekrise, Lieferengpässe, Alterung der Gesellschaft und vieles mehr. Trotzdem dürfen wir ein zentrales Zukunftsthema nicht aus den Augen verlieren - im Gegenteil, wir sollten besonderes Augenmerk darauf legen, um all die vor uns liegenden Herausforderungen meistern zu können: die Bildung der nächsten Generation.
In den letzten Monaten wurden einige Studien zu den Lernverlusten von Schulkindern durch die Covid-19-Pandemie veröffentlicht. Leider nicht in Österreich, hier warten wir noch auf die Veröffentlichung von Vergleichsdaten standardisierter Leistungstests. In Deutschland jedoch zeigen Daten einer Schulpanelstudie, dass die Lesekompetenz von Kindern in der vierten Schulstufe zwischen 2016 und 2021 drastisch zurückgegangen ist.
Lesen stellt eine zentrale Kompetenz dar und hat auch Auswirkungen auf andere Fächer, wie aus der Bildungsforschung hervorgeht. Nach der Pandemie fehlt den Viertklässlerinnen und Viertklässler rund ein halbes Lernjahr. Das ist erschreckend viel. Der Rückgang an Lesekompetenzen betrifft durchwegs alle Kinder: es gibt weniger Kinder, die (sehr) gut lesen können, gleichzeitig nahm der Anteil derjenigen Kinder zu, die nicht gut lesen können. Kinder mit schlechten häuslichen Rahmenbedingungen zum Lernen - kein eigener Schreibtisch und kein Internetzugang - zeigen einen größeren Kompetenzverlust als Kinder mit guten Rahmenbedingungen.
Vor kurzem wurde darüber hinaus ein Forschungspapier in einer angesehenen ökonomischen Zeitschrift veröffentlicht, das versucht, die langfristigen Folgen der Schulschließungen während der Corona-Krise zu quantifizieren. Die Autorinnen und Autoren kommen zum Schluss, dass der Gegenwartswert des Lebenseinkommens der betroffenen Kinder im Durchschnitt um 2,1 Prozent gesunken ist, was Wohlfahrtsverluste für die Gesellschaft in der Höhe von etwa 1,2 Prozent bedeutet. Jüngere Kinder sind dabei stärker betroffen, weil ihre Lernverluste schwerwiegender sind.
Ebenso zeigt sich, dass die negativen Auswirkungen besonders schwerwiegend für Kinder aus Familien mit niedrigem Bildungsstand und geringem Vermögen haben: Sie konnten ihre Kinder weniger gut in der Pandemie unterstützen. Das sind drastische Folgen für die betroffenen Kinder, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Die zusätzlichen Unterstützungsangebote, die nach den Schulschließungen aufgrund der Pandemie in Österreich angeboten wurden, waren und sind vorhanden (z.B. die Sommerschule, extra Förderstunden, mehr schulpsychologische Betreuung), aber wohl zu spärlich bemessen und außerdem wurden sie zu schnell reduziert.
Diese Anstrengungen seitens der Verantwortlichen werden nicht reichen, um die Defizite in den Lernfortschritten durch die Pandemie auszugleichen. Wichtig wären standardisierte Leistungstests, die uns eine klare Indikation geben, wie Unterstützungsangebote ausgebaut werden müssen, um auch die größeren Leistungsunterschiede zwischen den Kindern wieder zu reduzieren. Diese zusätzlichen Anstrengungen werden sich lohnen: nicht nur für die betroffenen Kindern, sondern für die gesamte Gesellschaft. Die Bildung von heute bestimmt maßgeblich den Wohlstand der Gesellschaft von morgen.
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