EU-Nachbarschaftskommissar Hahn knüpft Bedingungen an Visaliberalisierung.
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"Wiener Zeitung":Die Ukraine wünscht sich eine EU-Beitrittsperspektive, und manche Mitgliedstaaten unterstützen das auch. Warum wird das im Rahmen der östlichen Partnerschaft nicht gewährt?Johannes Hahn: Einige hatten bei der Etablierung der östlichen Partnerschaft tatsächlich die Idee, dass dies die Vorstufe zu Beitrittsverhandlungen sein könnte. Der Gedanke war beflügelt von der großen Erweiterungsrunde vor mehr als zehn Jahren. Das war allerdings nur eine Interpretation. Und die späteren Entwicklungen zeigten, dass sowieso ein individueller Zugang notwendig ist. Die Nachbarschaftspolitik ist eine Klammer, und dazwischen gibt es unterschiedliche Interessen der Länder, wobei wir auch die Interessen der EU berücksichtigen müssen. Manche hätten gern eine Mitgliedschaft - doch die ist derzeit weit entfernt. Aber für immer ausgeschlossen ist sie nicht.
Befürchten Sie nicht, dass die Enttäuschung über diese zögerliche Haltung dazu führen könnte, dass sich die Länder von der EU wieder abwenden?
Die dortigen Politiker sollten das kommunizieren, was der Realität entspricht. Es werden manchmal Erwartungen geschürt, die in dem Moment nicht erfüllt werden können. Es hat zwar Fortschritte gegeben, aber nun ist die Umsetzung von Reformen nötig.
Ähnlich argumentiert die Kommission in der Debatte um die Abschaffung der Visapflicht. Die Ukraine und Georgien hätten aber gern ein Datum dafür. Wann bekommen sie es?
Bloß weil es diese Erwartungshaltung gibt, wird es nicht automatisch geschehen. Wir wenden eine klare Methodologie an; bestimmte Bedingungen sind zu erfüllen. Ich kann ja auch nicht sagen: Wenn jemand 18 Jahre alt geworden ist, bekommt er automatisch den Führerschein. Er muss ebenfalls vorher eine Prüfung ablegen.
Staaten wie Polen oder Lettland wünschen sich aber einen beschleunigten Modus dafür.
Das ist für diese Länder eine - verständliche - regionalstrategische Sichtweise. In anderen Teilen Europas wird das etwas anders betrachtet. Und die Kommission versucht, ein ehrlicher Partner zu sein.
Gleichzeitig sollen die Beziehungen zu Russland nicht weiter verschlechtert werden. Ist die EU gegenüber Moskau zu nachgiebig?
Wir haben trotz der Meinungsunterschiede eine kohärente Linie in der Russland-Politik. Zwar wünschen sich manche Mitgliedstaaten härtere Sanktionen gegen den Kreml, während andere Länder für eine Aufweichung der Maßnahmen sind. Schließlich aber gibt es die Einigung auf eine gemeinsame Haltung, zu der sich alle bekennen. Gewachsen ist trotz aller Differenzen das Verständnis dafür, wie wichtig solch eine Gemeinsamkeit ist.
Johannes Hahn ist seit November 2014 EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen.