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Den Genossen reicht’s

Von Clemens Neuhold und Simon Rosner

Politik

Telekom, Steuerlast, Bildungschaos und die Hypo auf der langen Bank: An sich loyale SPÖ-Gewerkschafter heizen ihrer Partei kräftig ein und wälzen neue Ideen für Steuern auf Luxusgüter und spekulative Grundstücke.


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Wien. Vor einem Jahr, also mitten im Vorwahlkampf zur letzten Nationalratswahl, berichtete die "Wiener Zeitung" vom "rot-roten Klassenkampf" zwischen Gewerkschaft und SPÖ-Führung. "Klasse" bezog sich auf Klassenzimmer. Es knatschte aber nicht nur beim Lehrerdienstrecht, sondern auch bei der Vermögenssteuer.

Doch bald schlossen die von Anfang der Ära Faymann an loyalen Gewerkschafter und Abeiterkämmerer die Reihen wieder. Bei der Wahl im Herbst trugen sie sogar mit, dass weder Vermögenssteuern noch Gesamtschule Einzug ins Regierungsprogramm fanden - zwei absolute Kernforderungen der Gewerkschaft.

"Was bekommen wir? Eine Zahnspange"

Nun erlebt dieser Klassenkampf eine Neuauflage - unter verschärften Vorzeichen und mit noch härteren Tönen. "Bei den nächsten Wahlen ist es besser, die anderen stellen den Kanzler und wir sagen, wo es langgeht", grummelt ein hochrangiger Gewerkschafter, der nicht genannt werden will. "Bei uns haben viele das Gefühl, die ÖVP setzt sich überall durch -vom Nein zu Vermögenssteuern, über den Telekom-Deal bis hin zu den Einsparungen im Bildungsbereich. Was bekommen wir? Die Zahnspange. Und die zahlen wir uns selbst." Das Argument der Genossen in der Regierung, man dürfe den Koalitionsfrieden nicht gefährden, könne er nicht mehr hören.

Der Zeitpunkt, zu dem der "starke Arm", wie die Gewerkschaft genannt wird, zur erhobenen Faust wird, ist kein Zufall. 2015 sind die Wahlen im roten Wien, der absoluten Machtbasis der Sozialdemokratie. Gewählt wird außerdem im industriellen - und damit auch gewerkschaftlichen - Kernland Oberösterreich. Daher wäre es aus Sicht der Gewerkschaft jetzt an der Zeit, die Genossen und Wähler in den Betrieben von den Segnungen der Sozialdemokratie zu überzeugen. Doch stattdessen werden diese im Regen stehen gelassen, finden viele Arbeitnehmervertreter. Eine längst fällige Steuersenkung ist nicht in Sichtweite, dafür weitere Einsparungen bei der Bildung, einem Kernthema der SPÖ.

Hypo und die Racheder Vergangenheit

SPÖ-Kanzler Faymann steht mit ÖVP-Finanzminister Spindelegger jedoch finanziell mit dem Rücken zur Wand. Bis 2016 müssen die beiden zumindest versuchen, die Neuverschuldung auf null zu bringen. So will es die EU-Kommission in Brüssel. Und das ist ohnedies schon ein Schmalspurziel im Vergleich zu den ursprünglichen Vorgaben. Doch selbst das ist gefährdet, weil die Hypo immer neue Löcher in die Staatskasse reißt. Die Regierung, die die Mega-Hypothek aus Kärnten übernommen hat, ist nicht zu beneiden. Sie trägt jedoch eine gewisse Mitschuld am Schlamassel, weil sie die Lösung des Problems in ihrer ersten Periode auf die lange Bank geschoben hat - das rächt sich jetzt. Denn nun wird die Zeit bis zur alles entscheidenden Wien-Wahl knapp und deswegen erhöhen sie den Druck auf eine Steuerentlastung. Damit diese sich trotz Hypo und Nulldefizit ausgeht, ist die Vermögenssteuer wieder am Tapet - aber in abgeänderter Form. "Dass die von der Regierung versprochene Kommission zur Steuerreform noch nicht eingesetzt ist, erhöht den Unmut", so der Gewerkschafter. Diese solle sofort eingesetzt werden - mit der Gewerkschaft im Boot.

"Steuern auf Vermögen,die nicht so heißen"

Damit die ÖVP ihr Veto gegen neue Abgaben aufgibt, drängt der hochrangige Gewerkschafter auf Vermögenssteuern, "die nicht Vermögenssteuern heißen". Konkret fordert er eine höhere Grunderwerbssteuer, die derzeit repariert wird, aber nicht erhöht werden soll - zum großen Unmut der Gewerkschaft. Außerdem wird eine Steuer auf unbebaute Grundstücke, die nur zu Spekulationszwecken genutzt würden, sowie eine Steuer auf Umwidmungen forciert.

Comeback der Luxussteuer?

Als weitere Vermögenssteuer, "die nicht so heißt" kursiert im ÖGB die Idee einer Neuauflage der Luxussteuer. In Österreich wurde 1978 ein neuer, dritter Steuersatz der Umsatzsteuer mit 30 Prozent festgesetzt. Diese "Luxussteuer" wurde auf Autos, Schmuck, Uhren, Pelze und Konsumelektronik erhoben. Die Steuer entfiel 1987 teilweise und 1992 gänzlich und wurde bei Autos durch die Normverbrauchsabgabe (Nova) abgelöst. Die Nova wurde zuletzt erhöht, was einer sanften Luxussteuer entspricht, weil sie größere und teurere Autos stärker trifft. Die Gewerkschaft würde die Produktgruppen dafür aber neu gruppieren, damit es nun tatsächlich Luxusgüter betrifft. Denn Konsumelektronik ist heute genau wenig Luxus wie ein Ausflug in die Therme Oberlaa.


Bau-Gewerkschafter Josef Muchitsch fordert zudem eine Vermögenszuwachssteuer von 20 Prozent: "Wir greifen in kein bestehendes Vermögen ein, nur auf das, was zusätzlich draufgekommen ist. Es wäre ein mutiger Schritt, der den Schaden der ,Haider-Alpe-Adria‘ und eine Steuerreform gegenfinanzieren könnte." 2009 und 2010 sei die Regierung mutiger gewesen.

"Es wird immer Themen geben, wo die Gewerkschaft mehr fordert", sagt der Sprecher von SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos. "Am 1. Mai wird sich zeigen, dass wir bei den großen Zielen auf einer Linie sind." Doch wie harmonisch das Lied der Arbeit tatsächlich gesungen wird?