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Mit 1.150 Insassen ist die Justizanstalt Wien-Josefstadt das mit Abstand größte Gefangenenhaus Österreichs. Während die Strafgefangenen in diesem aus der Kaiserzeit stammenden Haus anno dazumal lediglich weggesperrt wurden, hat man in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend erkannt, dass - alleine schon im Hinblick auf die Resozialisierbarkeit der künftighin zu Entlassenden - ein gewisses Maß an Betreuung unerlässlich ist. Durch die jüngsten Sparpakete wurden auch die Geldmittel für die Gefängnisse empfindlich eingeschränkt, wovon bestimmte Bereiche, wie etwa die Freizeit- und Einzelfallbetreuung, sehr stark betroffen sind. Um Abhilfe zu schaffen, gründeten drei engagierte Wachebeamte in der Josefstadt einen "Häftlingsunterstützungsverein".
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Bei Brot und Wasser musste seinerzeit ein Delinquent im Gefängnis schmachten und es wurde von Seiten der Obrigkeiten strikt darauf geachtet, dass der Häfnalltag möglichst trist gestaltet war. Auf diese Weise versuchte man der Gesellschaft Genugtuung zu verschaffen für das Leid und Ungemach, das ihr von dem Gesetzesbrecher widerfahren war.
Als in den 80er-Jahren des vorigen Säkulums in den österreichischen Gefangenenhäusern erstmals Fernsehgeräte erlaubt wurden, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung. "Die ham's ja viel besser als wir heraußen, und wir müssen all das mit unseren Steuergeldern finanzieren", empörte man sich prompt an zahlreichen Wirtshausstammtischen. Mittlerweile sind die Leute in dieser Hinsicht schon etwas kulanter geworden. Wenn aber die Boulevardpresse ab und zu sensationelle und grausliche Geschichten über einen so genannten "Häfnbruder" ausbreitet, dann werden nicht selten die alten Satisfaktionsforderungen erhoben. Und bei solch einer Gelegenheit bekommt man erneut die alten Klischees zu hören von den Häftlingen in ihren mit Fernsehapparaten ausgestatteten Komfortzellen.
Wer aber je ein Gefängnis besucht hat oder gar darin gefangen gehalten wurde, der weiß, dass in diesen Institutionen von Komfort und Erholung keine Rede sein kann. Auf engem Raum mit anderen Menschen zusammengepfercht, Tag für Tag völlig fremdbestimmt fristen viele Inhaftierte frustriert ihren grauen Alltag.
Wer Geld hat, dem wird von der Gefangenenhausleitung zugestanden, dass er sich über die hauseigene Vermittlungsstelle ein Fernsehgerät anschafft. Das Mitbringen von eigenen Fernsehern ist aus Sicherheitsgründen untersagt, weil in den Geräten verbotene Gegenstände, etwa Waffen oder Drogen, verborgen sein könnten und eine effiziente Kontrolle bei der hohen Anzahl der Häftlinge nicht gewährleistet werden kann.
TV als Wundermittel
Der Blick in die Röhre ist für viele Gefangene oft der einzige Lichtblick. Auf diese Weise ist man nicht nur abgelenkt, sondern gewissermaßen - wenn auch nur passiv - mit der Außenwelt in Verbindung, was vor allem für Langzeitgefangene sehr tröstlich ist. Eine Mitarbeiterin des Sozialen Dienstes der Justizanstalt Wien-Josefstadt bezeichnete im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Fernsehapparat sogar als "Wundermittel", welches bei den Gefangenen Depressionen zu mildern beziehungsweise in manchen Fällen sogar zu verhindern imstande sei. Da eine beträchtliche Anzahl von Strafgefangenen nicht über das Geld für die Anschaffung eines eigenen Fernsehers verfügt, stellte die Justizanstalt Josefstadt bis vor kurzem jeweils einige Geräte bereit, die an psychisch auffällige, mittellose Insassen im Akutfall verliehen wurden. Als jedoch vor einigen Jahren aufgrund der massiven Einsparungen keine weiteren TV-Geräte angeschafft werden konnten, standen die Beamten vor dem Dilemma, dass sie besonders schwierige Fälle auf die bereits probate Art nicht mehr ruhig stellen konnten.
Akuthilfe in krassen Fällen
Um Abhilfe zu schaffen, gründete der im Gefängnis für die Freizeitgestaltung zuständige Inspektor Friedrich Pichler, gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen des Justizwachedienstes, im Jahr 2000 einen Häftlingsunterstützungsverein. Im Zuge der sich etablierenden Vereinstätigkeit kamen die Beamten überein, dass mit den zu lukrierenden Geldmitteln auch andere - höchst notwendige - Erfordernisse des Freizeitbereiches abgedeckt werden sollten, die sich auf die psychische Befindlichkeit der Gefangenen förderlich auswirken.
Die engagierten Wachebeamten gingen sogleich daran, bei Wiener Rechtsanwälten sowie bei Zulieferfirmen des Gefängnisses um Spenden zu werben, und konnten solcherart für's Erste 1.100 Euro auf dem Konto ihres Vereines verbuchen. Zwar kommt bei dieser Summe - bezogen auf die Gesamt-Belagszahl - insgesamt nicht einmal ein Euro auf einen Häftling, jedoch sind die Beamten stolz darauf, dass sie zumindest in den krassesten Fällen Akuthilfe leisten konnten. Auf ein ähnliches Jahresbudget brachte man es auch in den nachfolgenden Jahren.
Basteln und Sport
Mittlerweile beschränken sich die Aktivitäten des Josefstädter "Häftlingsunterstützungsvereins" längst nicht mehr allein auf den Ankauf und das Verleihen von Fernsehapparaten. Beispielsweise werden die Gelder auch genützt für die Vergabe von kleinen Sachpreisen bei Tischtennis- und Fußballturnieren sowie bei anderen Sportveranstaltungen oder für den Ankauf von Materialien für diverse Aktivitäten der von Inspektor Pichler betreuten Bastelgruppe. Die Herstellung von künstlerischen Uhren zählt ebenso zum Programm dieser Gruppe wie der Bau von Weihnachtskrippen. Auch töpfern, häkeln, stricken und malen ist bei vielen Häftlingen beliebt.
Zwar hat die Bastelgruppe neuerdings aufgrund der Integration der "Justizanstalt für Jugendliche Wien-Erdberg" ihre Räumlichkeit verloren, jedoch sei man bemüht, demnächst wieder Raum für diese Zwecke zu schaffen, so Oberstleutnant Peter Hofkirchner von der Anstaltsleitung. Notgedrungen habe man die künstlerischen Aktivitäten einstweilen in die einzelnen Hafträume verlegen müssen, wobei Inspektor Pichler und seine Kollegen auch hier helfend zur Seite stehen.
Zum Maler gereift
Teilweise kommt es zu kleinen Geschäftsanbahnungen, zum Beispiel durch den Verkauf von Bildern bei Vernissagen, was auf das Selbstbewusstsein der Häftlinge eine enorm positive Auswirkungen hat.
Alexander F., ein inhaftierter Akademiker, der mittlerweile acht von 16 Monaten abgesessen hat und tagsüber in der Gefängnisbibliothek arbeitet, ist Mitglied der von Pichler betreuten Freizeitgruppe. Obwohl er vor seinem Haftantritt zwar kunstinteressiert war, jedoch noch nie aktiv den Pinsel geschwungen hatte, ist er in der Justizanstalt Wien-Josefstadt ein passionierter Maler geworden.
"Als ich von der Möglichkeit gehört hatte, der Freizeitgruppe beizutreten", so F., "habe ich mich sogleich angemeldet. Viele liegen hier einfach nur herum und jammern tagein tagaus über ihre missliche Lage oder schlagen die Zeit bloß mit Fernsehen tot. Das ist mir einfach zu öd! Deshalb ist das Malen für mich eine willkommene Abwechslung."
Da er früher einen sehr stressigen Beruf hatte, habe er für Freizeitaktivitäten nur sehr wenig Zeit gehabt. In der Haft hingegen habe er hinreichend Ruhe gefunden, sich an die Malerei heranzutrauen, erklärte F. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Inzwischen habe er seinen eigenen Stil entwickelt und große Freude an dem neuen Hobby, das er auch nach dem Verbüßen seiner Haftstrafe weiter ausüben möchte.
Überdies, so F., hätte sich auf diese Weise die Möglichkeit ergeben, soziale Kontakte zu knüpfen, da sich bei solchen Gelegenheiten meist Gleichgesinnte zusammenfänden, die über die selben Interessen verfügen. Unter anderem habe er sich bei der Freizeitgruppe mit einem Mitgefangenen angefreundet, der schließlich über Antrag an die Anstaltsleitung sein neuer Zellengenosse wurde. Einige seiner künstlerischen Freunde haben inzwischen ihre Haft abgebüßt. Durch sein neu erworbenes künstlerisches Vermögen war es ihm möglich, diesen ein persönliches Abschiedsgeschenk mit auf den Weg zu geben.
Insbesondere ist der Häftlingsunterstützungsverein auch bemüht, Hilfe im Einzelfall zu bieten. Vor allem dann, wenn Gefangene mittellos sind und keine Angehörigen haben, erhalten sie aus Vereinsmitteln Zigaretten, Kaffee und andere kleine Zuwendungen. Indes wären weitere Spenden hoch vonnöten und werden gerne entgegen genommen. Einzahlungen bitte unter "Häftlingsunterstützungsverein Wien-Josefstadt" auf das Konto Nr. 300031-05789 bei der Erste-Bank (BLZ 20111).