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Den Großparteien kommt die Massenbasis abhanden

Von Manfred Güllner

Gastkommentare

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Berlin. (AP) Das Ergebnis der deutschen Bundestagswahl ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg des Bedeutungsverlustes der Großparteien: Nur noch 53 von 100 Wahlberechtigten gaben SPD und Union ihre Stimme (...). Nur bei der ersten Bundestagswahl 1949 war die Vertrauensbasis der beiden großen Parteien geringer. (...)

Während der Vertrauensverlust der SPD vorhersehbar war, kam der der Union überraschend (...). Die Union wurde nur noch von 27 von 100 Wahlberechtigten gewählt. Dies bedeutet einen Wählerschwund von elf Prozent im Vergleich zur letzten Bundestagswahl 2002 und einen Verlust von fast sechs Prozent im Vergleich zur vorletzten Wahl 1998. Angela Merkel hat also der Union weniger Stimmen eingebracht als Helmut Kohl bei seiner letzten Wahl als Kanzlerkandidat.

Offenbar waren die Vorbehalte gegen die Kandidatin Merkel im eigenen Anhängerlager in der letzten Phase des Wahlkampfes so groß geworden, dass auch ein Teil derjenigen, die sich in den Umfragen vor der Wahl zur Union bekannten, letztendlich am Wahltag ihre Stimme nicht der CDU oder CSU gaben.

Merkels Haupthandicap war dabei, dass sie im wiedervereinigten Deutschland keine für die Wähler zureichende Identität gewonnen hat. Für die Ossis war sie seit ihrer Einbindung in die Regierung Kohl und die Führungsstruktur der CDU keine Ossi mehr, ohne dass sie dafür von den Wessis als Wessi akzeptiert worden wäre.

Für Merkel wirkte sich weiterhin negativ aus, dass das Fernsehen auch bei dieser Wahl wieder das dominante Medium war: (...) Und im Fernsehen schnitt der Amtsinhaber im Urteil der Zuschauer meist besser ab als seine Herausforderin. Hinzu kam, dass die Fernsehbilder die gestylten Plakate mit Merkel Lügen straften und von daher Merkel weitere Identitätsprobleme brachten. (...)

Die beiden großen Parteien waren die Verlierer dieser Wahl, die FDP und die neue Linkspartei die Gewinner. Dabei ist die FDP in erster Linie durch Leihstimmen aus dem Lager der Union gestärkt worden. Doch die Liberalen wurden auch von einem Teil taktischer Wähler gewählt, die sich ihre Entscheidung bis kurz vor dem Wahltermin offen halten. (...) Allerdings ist trotz des Wahlerfolges der Linken wegen der sehr unterschiedlichen Struktur der Anhänger der Linkspartei in Ost und West noch keinesfalls sicher, ob sich diese neue Gruppierung im Parteienspektrum dauerhaft etablieren kann. (...)

Ob der Bedeutungsverlust der Großparteien nach dieser Wahl weitergeht, ob das Parteienspektrum durch die neue Linkspartei weiter differenziert wird und ob das rechtsradikale Potenzial sich vom Osten über die gesamte Republik verbreiten kann, dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie die neue Regierungskonstellation das Land regieren wird.

Der Autor ist Chef des Berliner Meinungsforschungsinstituts Forsa