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Es herrscht Hochbetrieb im niederländischen Außenministerium. Viele Mitarbeiter machen Überstunden. Seit Tagen dreht sich alles nur um die Causa Prima: Der Anti-Koran-Film "Fitna" (Zwietracht) des Rechtspopulisten Geert Wilders hat etliche Länder empört: Indonesien, Syrien, Iran, Jordanien, Afghanistan, Pakistan und Ägypten behalten sich weitere Schritte vor.
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Ein niederländischer Diplomat, der sofort von einem muslimischen Staat ins Außenministerium zitiert wurde, resümiert traurig: "Es ist eigentlich die erniedrigendste Etappe eines Diplomatenlebens, wenn man wie bei einem Gerichtstribunal für etwas pauschal verurteilt wird, wofür man nichts kann."
Dabei ist die Empörung gar nicht neu: Selten wurde ein Film vor der Veröffentlichung so heiß diskutiert wie die 17 Minuten Koran-Hetze. Allein die Ankündigung versetzte die niederländische Regierung in Panik. Aus Angst vor Anschlägen wurde die Terrorwarnstufe angehoben, eine diplomatische Mammut-Offensive samt Entschuldigung für einen noch gar nicht ausgestrahlten Film eingeleitet und der Haager Regierungs- und Parlamentssitz abgeriegelt. Weltweit spannte Wilders die Medien fast drei Monate auf die Folter, verschob die Ausstrahlung immer wieder und kündigte eine Warnung gegen die Islamisierung an.
Lange vor der Veröffentlichung gingen in vielen Städten die Menschen auf die Straßen. Wilders´ Landsmann und Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer ahnte schon am 21. März (mehr als eine Woche vor der Veröffentlichung) nichts Gutes, als in der afghanischen Stadt Mazar-i-Sharif niederländische Flaggen brannten: "Unsere Soldaten könnten wegen des Films unter Beschuss kommen. Da kann noch mehr passieren."
Noch ist nicht mehr passiert - außer, dass mehrere islamische Länder den Film heftigst kritisiert und Sondersitzungen vereinbart haben. Keine zwei Tage nach der Veröffentlichung wurde Wilders´ Film wegen Drohungen wieder aus dem Internet verbannt. Dass zeitgleich jene dänische Karikatur, die Mohammed mit Bomben-Turban zeigt, wieder abgedruckt wurde, goss zusätzlich Öl ins Feuer. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende persönlich versucht nun aktive Schadensbegrenzung zu betreiben.
Wilders selbst kann zufrieden sein: Sein Hauptziel, eine Riesendiskussion über den Islam und seine Auswüchse, hat er erreicht. Dabei ist der Rechtspopulist ein geschickter Taktiker, der immer mehr Anhänger zu finden scheint. Wären diese Woche Wahlen in den Niederlanden, könnte Wilders Partei ihre neun Sitze laut Umfragen verdoppeln. Alles nur wegen 17 Minuten zusammengeschnittener Videofetzen. Wobei die Warnung, die ihnen vorausgeht, wörtlich zu nehmen ist: "Fitna" enthält tatsächlich erschütternde Bilder und Aussagen, bei denen man am Ende nicht weiß, was schlimmer ist: die abgetrennten Köpfe oder die Hasspredigten, die Islamisten mit sich überschlagender Stimme vortragen . . .