Das Krankenkassendefizit nimmt in den kommenden Jahren enorme Ausmaße an. Laut Gebarungsvorschau des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger steigt der Abgang von 139 Mio. Euro im Vorjahr auf 579,7 Mio. Euro im Jahr 2006, was mehr als eine Vervierfachung bedeutet. Wie das Finanzierungsproblem gelöst werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat will jedenfalls "keine Beitragserhöhungen".
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"Solange nicht alle Effizienzpotenziale im System ausgeschöpft sind, wäre es unverantwortlich, neues Geld der Versicherten hinein zu pumpen", erklärte sie in einer Aussendung. Die Finanzierungsprobleme der Kassen nehme sie sehr ernst, allerdings hielt sie auch fest, dass bei der Prognosen pessimistische Annahmen getroffen worden seien. Das glaubt Hauptverbands-Geschäftsführerin Beate Hartinger nicht: "Die Zahlen sind seriös."
Rauch-Kallat will nun daran gehen, die defizitären Kassen zu prüfen. Rauch-Kallat will sich vor allem an jenen Trägern orientieren, die bessere Ergebnisse aufweisen können. Die unterschiedliche finanzielle Situation zeige, dass durch verschiedene Strategien auch unterschiedliche Erfolge erzielt werden könnten, will sich Rauch-Kallat am Best-Practice-Modell orientieren.
Nicht die Kassen, die Regierung macht der frühere Präsident des Hauptverbands, Hans Sallmutter, verantwortlich: Seit dem "putschartigen Umbau" des Sozialversicherungsdachs sei einzig eine aufgeblähte, teure und kaum handlungsfähige Struktur geschaffen worden, die überdies verfassungswidrig sei.
Wie sollen die maroden Kassen saniert werden?
Ab heuer werden alle Gebietskrankenkassen rote Zahlen schreiben. Die Kassen sehen ihre finanziellen Belastungen durch die Arbeitsmarktlage, die Entwicklung der Versichertengemeinschaft und die Entwicklung der Medizin gegeben. Durch die steigende Zahl der Teilzeitbeschäftigten hinkt die durchschnittliche Beitragsleistung den steigenden Ausgaben hinterher.
Hauptverbands-Geschäftsführerin Hartinger schlägt vor, dass die Kassen bei der Spitalsfinanzierung durch die Länder entlastet werden sollen. Die Spitalsfinanzierung sei für die Träger der Hauptkostenfaktor, daher erwartet sie von den Ländern eine Entlastung von 500 Mio Euro.
Die Länder sehen das naturgemäß anders. Sie verlangen im Gegenteil zusätzliche Finanzmittel vom Bund für die Spitalsfinanzierung. Wiens Finanzstadtrat Sepp Rieder, Länder-Chefverhandler beim Finanzausgleich, will aber keine Erhöhung der Zuschüsse aus der Sozialversicherung, sondern verlangt mehr Geld aus den allgemeinen Steuereinnahmen, vor allem der Tabaksteuer.
Die Grünen verlangen dringend Maßnahmen der Regierung. "Die Weigerung, den Kassen zusätzliche Einnahmen zur Verfügung zu stellen, führt unweigerlich zu einer Leistungseinschränkung", ist Gesundheitssprecher Kurt Grünewald überzeugt. Eine Anhebung der Höchstbeitragsgrenze von derzeit 3.400 auf 5.000 Euro würde das Defizit der Kassen gegen Null steuern, ist er überzeugt. Grünewald regt auch die Einbeziehung von Gewinnen, Vermögen und Mieten an.